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Kristina Lunz ist Mitgründerin und Co-Chefin des Centre for Feminist Foreign Policy. Bis Januar 2020 war sie ebenfalls ein Jahr lang als Beraterin für das Auswärtige Amt tätig und baute das Frauennetzwerk Unidas für Außenminister Heiko Maas (SPD) auf und aus. Im Februar 2019 wurde sie auf die „30 under 30“-Liste des Forbes Magazin gewählt. Darüber hinaus wird Lunz von der Atlantik-Brücke als Young Leader geführt, ist Ashoka Fellow, Goalkeeper für die Nachhalltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen in der Gates Foundation Responsible Leader der BMW Foundation. Lunz arbeitet als freie Autorin und Kampagnenberaterin.
„Feministische Außenpolitik ist nicht unsere Erfindung, sie hat eine lange Tradition“, steigt Kristina Lunz in das Thema ein. So sind bereits im Jahre 1915 rund 1.500 Frauen in Den Haag zusammengekommen, um über die Beendigung des Ersten Weltkrieges und die Verhinderung eines weiteren Krieges zu beraten. Dabei haben diese Frauen Resolutionen aufgestellt, die heute genauso aktuell sind, wie sie damals waren: etwa die Tatsache, dass Kriege und Konflikte im kapitalistischen System so gewinnbringend sind, dass es weiterhin attraktiv ist, diese zu führen. Auch traten die Frauen für die Mediation als Konfliktvermittlung ein. Viel Gehör konnten sie sich jedoch nicht verschaffen – in Zeiten, in denen sie nicht einmal das Wahlrecht besaßen.
Trotz aller Schwierigkeiten fand zwei Jahre später in Zürich der International Congress on Woman statt, auf dem mit Women‘s International League for Peace and Freedom die älteste internationale Frauen-Friedensorganisation zur Bekämpfung der patriarchalischen Außen- und Sicherheitspolitik entstand. Dort machten sich Frauen unter anderem Gedanken zum Aufbau von Systemen und Institutionen. Außerdem wurden die Strukturen des Systems in Betracht gezogen und dabei festgestellt, dass die Entwickler dieser Strukturen von dem System bevorzugt werden.
Erst in den 1980er-Jahren wurde die Feministische Theorie Internationaler Beziehungen durch Feministinnen wie Jacqui True oder Cynthia Enloe prominenter, wobei sie bis heute eher ein Nischendasein fristet. Die Feministinnen haben damals aufgezeigt, dass die aktuelle internationale (Außen-)Politik sehr patriarchalisch geprägt ist. „Denn einzelne Staaten versuchen im Zustand der Anarchie die eigene Macht durch militärische Stärke und Unterdrückung von anderen Akteurinnen und Akteuren zu vergrößern“, erläutert Kristina Lunz. Diese Unterdrückung der Frau – wie die Politikwissenschaftlerin Valerie M. Hudson in ihrem Buch „The First Political Order“ herausstellt – wurde vom Mann bereits vor Tausenden von Jahren aufgebaut. Das Leben der Frau wurde auf den privaten Bereich begrenzt, das Denken und Handeln der Frau im öffentlichen Bereich eingeschränkt (auf Mikroebene beispielsweise findet die Kleinhaltung von Frauen in Form von häuslicher Gewalt statt). Dadurch konnten sich entsprechende staatliche Strukturen und ein starres Hierarchieverständnis entwickeln. Aufgrund dieser Tatsachen stellten sich Feministinnen einer solchen, auch Realist Paradigm genannten Denkweise entgegen und hielten ein feministisches Realitätsverständnis dagegen.
Im Jahre 2000 hat der UN-Sicherheitsrat die erste Resolution der „Women, Peace and Security“-Agenda verabschiedet, die im Kern die Konfliktprävention und Abrüstung thematisiert. „Zum ersten Mal wurde die Rolle und Bedeutung von Frauen in Krieg und Frieden mit eingebracht – und das dank der starken Lobbyarbeit von NGOs und der feministischen Zivilgesellschaft“, bemerkt Lunz. Und sie führt weiter aus: „Im Kern ist die Agenda eine radikal feministische. In den Verhandlungen sind allerdings einige Aspekte rausgefallen. Deshalb thematisiert die Resolution am Ende keine Konfliktprävention mehr, sondern nur, wie bestimmte Arten von Gewalt (z.B. sexualisierte Gewalt) innerhalb eines Konfliktes behandelt werden, was nicht die ursprüngliche Intention gewesen war.“
Im Jahre 2014 hat Schweden ein wichtiges Zeichen gesetzt, als die damalige Außenministerin Margot Wallström begann, feministische Außenpolitik zu betreiben. Trotz viel Kritik und negativen Kommentaren konnte sich Schweden mit den drei Grundpfeilern Rechte, Repräsentation und Ressourcen von Frauen profilieren. „Diese Außenpolitik war besonders visionär und prägt bis heute die Weiterentwicklung der feministischen Außenpolitik weltweit“, führt Lunz vor Augen. Das Aufgreifen dieses Ansatzes konnte man später auch in Kanada, Mexiko oder Frankreich beobachten.
Auch Kristina Lunz setzt sich für die Sicherheit von Menschen, Menschenrechte und die Zerschlagung des hierarchischen Patriarchats weltweit ein. Als Mitgründerin und Geschäftsführerin des Centre for Feminist Foreign Policy mit Sitz in London und Berlin will sie das durch eine stärker feministische Außenpolitik und Diplomatie bewerkstelligen – auch beim Auswärtigen Amt war sie bereits tätig. „Unter der Leitung von Außenminister Heiko Maas hat die deutsche Außenpolitik Fortschritte verzeichnet und beispielsweise zum ersten Mal mit Unterstützung des Centre for Feminist Foreign Policy ein Paper zur Gleichberechtigung erarbeitet“, berichtet Lunz. „Genau diese Expertise ist wichtig, um Veränderungen zu schaffen.“
Am Ende des GlobalTalk gibt die Feministin und erfahrene Aktivistin den Zuschauerinnen und Zuschauern eine wichtige Botschaft mit auf den Weg: „Es gibt viele Konventionen und Paradigmen in unserer Gesellschaft. Wenn dabei Ungerechtigkeiten sichtbar werden, seid nicht still. Setzt euch für eine Veränderung und mehr Gerechtigkeit in diesem Bereich ein, auch wenn ihr negative Resonanzen erhaltet. Lasst euch nicht den Mund verbieten!“
Titelbild:
| Greg Rakozy / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link
Bild im Text:
| Lea Riexinger / Zeppelin Universität (alle Rechte vorbehalten)
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm