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Peter Altmaier wurde am 18. Juni 1958 in Ensdorf im Saarland geboren. Nach einem Aufbaustudium „Europäische Integration" arbeitete Altmaier als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Saarland und als Beamter der Europäischen Kommission, bevor er 1994 in die Politik wechselte. Nach Stationen als Justiziar der Bundestagsfraktion und parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium wurde Altmaier 2009 erster parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit dem 22. Mai 2012 ist Peter Altmaier Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Als "Nudge" bezeichnet Havard-Professor Cass R. Sunstein in seinem gleichnamigen Buch die Formel, mit der man andere dazu bewegt, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wie aber schafft man es, listig genug zu sein ohne den Verbrauchen zu bevormunden? Und wie erreicht man es, dass sich Bürger gesund ernähren, sich um ihre Altervorsorge kümmern oder eben umweltbewusst leben? Mit seinem Buch versucht Sunstein diese Fragen zu beantworten und überzeugte damit unserem anderem bereits US-Präsident Barack Obama, für den er als Berater arbeitet. "Dieses Buch hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen", schrieb die New York Times. "Ein neuer Ansatz für die Wirtschaftspolitik", erklärte das Manager Magazin.
Wenn konventionelle Wege nicht mehr funktionieren, sei es nötig den Verbraucher bei seiner Entscheidung zu unterstützen, erklärt Lucia Reisch. „Nudging ist zuerst die Idee, die Entscheidungen des Konsumenten zu verbessern, ohne dass man ihn in seiner Wahlfreiheit beschränkt.“ Dabei komme es auf eine ganze Reihe von Grundlagen an: So müssen die verschiedenen Wahlmöglichkeiten besonders klug präsentiert, das Entscheidungsumfeld möglichst angenehm gestaltet und besondere Anreize durch Prämien geboten werden. Nudging bedeute dadurch aber nicht zwangsweise mehr Regulierung betont Reisch: „Es geht darum, Klarheit und Effizienz für den Verbraucher zu schaffen und Menschen durch leichtes Anstupsen zu einer richtigen Entscheidung zu bewegen.“
Wie diese Idee in der Praxis funktionieren kann, erklärt Cass Sunstein, Berater von US-Präsident Obama und Professor an der Havard University, der mit seinem Buch „Nudge“ genau diese Frage genauer beleuchtet und damit weltweit bekannt wurde. „Ein ganz einfaches Beispiel ist die Cafeteria von Google in New York“, erklärt Sunstein. „Man wollte die Leute dazu bringen, sich gesünder zu ernähren und platzierte deshalb qualitativ hochwertiges Essen weiter vorne, während man ungesundes Essen in der Auslage versteckte.“ Sunstein ist überzeugt, dass dieser Ansatz auch in der Energiepolitik funktionieren kann. Der Absatz von grünem Strom stiege beispielsweise an, wenn er neuen Haushalten standardmäßig angeboten würde und der Verbraucher erst auf Nachfrage konventionellen Strom bekäme. Damit ließe sich der Absatz deutlich erhöhen, ohne die Wahlfreiheit des Verbrauchers einzuschränken.
Mit Blick auf Umweltminister Altmaier sieht Sunstein auch die Regierungen am Zug, die nützliche Informationen oft nicht verständlich genug aufbereiten. „Wie viel haben Sie beispielsweise letztes Jahr an Energie verbraucht?“, fragt Sunstein in die Runde, um sein Beispiel zu untermauern. „Sehen Sie“, sagt er, als niemand antwortet: „Ein Anreiz könnte somit auch ein Portal sein, auf dem Unternehmen per Mausklick den aktuellen Stromverbrauch eines Haushalts zeigen.“ Wer hier hohe Werte findet, könnte unterbewusst zum Stromsparen animiert werden.
Bundesumweltminister Peter Altmaier versucht, die theoretischen Konzepte auf die Praxis zu übertragen. Auch wenn noch Luft nach oben sei, erklärt er, dass der Staat bereits verstärkt auf das „Anstupsen“ der Bürger setze: „Beim neuen Energiegesetz wurde niemand gezwungen auf Biogas oder Windenergie umzusteigen. Trotzdem produzieren wir heute 23% unseres Bedarfs aus erneuerbaren Energien.“ Als ein Faktor führt Altmaier die damals gesetzten Anreize an. So habe es kaum eine rentablere Anlage als die Investition in erneuerbare Energien gegeben.
Wie bei fast allen Anreizen spielen die klammen Kassen des Staates aber auch bei der Energiewende eine tragende Rolle – denn die meisten Anreize müssen auch finanziert werden. „Genau deshalb fördern wir Wissenschaft und Forschung, den Einbau von Rußpartikelfiltern oder die Absetzbarkeit von der Steuer. Unabhängig davon, was wir bieten: Die Investoren greifen in Scharen zu“, erklärt Altmaier. Gerade deshalb warnt er aber auch vor Fehlallokationen und der Übersubventionierung des Energiesystems und verweist auf die Notwendigkeit von Regeln: „Wir müssen uns darum kümmern, dass sich niemand am System vorbeischmuggelt und die Vorteile mitnimmt, während er die Nachteile auf andere abwälzt.“
Am Ende der Diskussion stehen also vor allem Anreize, die kein Geld kosten – „weiche Gebote“, wie Altmaier sie nennt. Ein passendes Beispiel hat er ebenfalls zur Hand: „Wenn Sie überall mit einem Elektroauto mitten in der Stadt parken können, dann überlegt der ein oder andere sicher, ob er nicht ebenfalls zuschlägt.“ Ein paar erweiterte Parkflächen in deutschen Innenstädten kosteten den Staat zunächst nämlich „überhaupt nichts“. Doch egal ob kostenlose Parkplätze oder standardmäßiger Ökoström: Dem Wortlaut getreu wird der Bürger beim „Nudging" immer „herumgeschubst", auch wenn er nicht „in seiner Wahlfreiheit beschränkt wird", wie Reisch beschreibt. Ob der Bürger dies für das „große Ganze“ in Kauf nehmen will, bleibt auch auf dem hochkarätigen Podium fraglich.
Fotos: kellyv (Titel), CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Christian Doppelgatz (Portrait), Stiftung Marktwirtschaft: Kay Herschelmann (im Text)