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Im schwäbischen Metzingen geboren, studierte Kinkel Rechtswissenschaften in Bonn und Tübingen und wurde 1964 in Köln zum Dr. jur. promoviert. Nach einiger Zeit im Bundesinnenministerium war er erst erst Leiter des Leitungs- und später des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Später war Dr. Klaus Kinkel für drei Jahre Präsident des Bundesnachrichtendienstes, bevor er Staatssekretär im Bundesjustizministerium und in der Folge Bundesjustizminister wurde. Im Mai 1992 wurde Kinkel schließlich Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, ein Jahr später zudem auch Vizekanzler. Nach seinem Ausscheiden aus beiden Ämtern im Jahr 1998 blieb der ehemalige Politiker noch bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages und ist seitdem als Rechtsanwalt aktiv. Darüber hinaus ist er Präsident der Deutsche Telekom Stiftung.
Aus dem Interesse an internationaler Politik und nicht zuletzt der Passion für "Model United Nations"-Konferenzen erwuchs im Herbst 2010 der Friedrichshafener Club of International Politics an der Zeppelin Universität. Der gemeinnützige Verein hat sich auf die Fahnen geschrieben, Studenten, Schülern und Bürgern kulturelles, wirtschaftliches wie politisches Wissen auf internationaler Ebene zu vermitteln. Mit aktuell rund 130 Mitgliedern ist der Club fester Bestandteil des politischen Hochschulbetriebs und organisiert regelmäßig unterschiedliche Veranstaltungsformate, darunter auch den "GlobalTalk", der regelmäßig zahlreiche Interessierte aus Universität und Umgebung mit Größen der Politik zusammenbringt.
Es war selbstredend der Ukraine-Konflikt, auf den der ehemalige Bundesminister des Auswärtigen in seinem halbstündigen Impuls als erstes einging. Wohl zum einen ob der thematischen Aktualität, zum anderen aber auch der engen professionellen Beziehung des Referenten zum russischen Staat wegen. Während deutlich wurde, dass Kinkel zu seiner Zeit im Auswärtigen Amt in engem Kontakt mit seinem russischen Kollegen stand, machte er mit Blick auf die Annexion der Krim und die russischen Aktivitäten in der Ostukraine klar: „Das ist eine eindeutige Völkerrechtsverletzung.“ Gleichzeitig zeige sich ein sehr unübersichtlicher Konflikt, über dessen Verlauf selbst die augenblickliche Bundesregierung keine genauen Aussagen treffen könne. Eine militärische Eskalation in der Ost-Ukraine hält der Vorsitzende der Telekom-Stiftung hingegen für unwahrscheinlich und stufte das Verhalten des russischen Präsidenten Putin eher als Machtspiel denn als ernste Kriegsabsicht ein. Trotz allem plädierte er ebenfalls für „ein bisschen mehr Empathie“ für Russland und dafür, die Entstehung dieses Konflikts näher zu betrachten.
Mit dem Wegfall der Ost-West-Auseinandersetzung, der deutschen Wiedervereinigung und der einhergehenden Auflösung des Warschauer Pakts habe die Sowjet-Union ihre Position als Weltmacht verloren, dazu kam der Beitritt einiger ehemaliger Staaten des Warschauer Paktes zur NATO, der zusätzlich als starke Provokation aufgefasst worden sei. Dies alles sei selbstverständlich keine Rechtfertigung für die derzeitige Lage in der Ostukraine und die Krim-Aneignung.
In der folgenden Talk-Runde nahmen Katharina Franke und Florian Gehm als studentische Moderatoren ihren Gast mit auf eine virtuelle Reise rund um den Globus und steuerten dabei unterschiedliche Krisenherde an. Im Gaza-Konflikt angekommen, kommentierte Dr. Klaus Kinkel: „Die Angriffe der israelischen Streitkräfte im Gaza-Streifen waren klar disproportional.“ Erst wenige Tage vor seinem Besuch in Friedrichshafen sei er von einer Israelreise zurückgekehrt und habe sich dabei überaus desillusioniert gefühlt, berichtete er: „Ich erlebe es zum ersten Mal, dass in Deutschland die Stimmung in Sachen Israel zu kippen droht.“ Angesprochen auf die Situation vieler Flüchtlinge vor allem aus Syrien wie aus Nordafrika zeigte sich der Bundesminister a.D. deutlich emotional. Es sei nicht vertretbar, dass der Libanon fast anderthalb Millionen Flüchtlinge aufnehme und Deutschland bereits bei wenigen zehntausenden ablehnend reagiere. „So geht es nicht, da müssen wir uns großzügiger zeigen“, plädierte Kinkel.
An einem nicht außenpolitischen aber ebenso aktuellen Krisenherd kam der ehemalige Bundesvorsitzende nicht vorbei: der Situation der FDP. „Wir sind weitgehend selbst Schuld daran, dass es so gekommen ist“, machte er selbstkritisch klar und betonte, er sei traurig und deprimiert über den aktuellen Zustand der Partei. Kinkel hatte zu seiner Zeit als Parteivorsitzender eine ähnliche Phase zahlreicher Wahlniederlagen erlebt, umso motivierter zeigte er sich nun: „Ich glaube, dass uns ein Comeback gelingen kann.“ Erwartbar kritisch fiel sein Fazit zur aufstrebenden Alternative für Deutschland (AfD) aus, die er als „Sammelpunkt aller Unzufriedenen, Europakritiker und Gegner aktueller Asylpolitik“ bezeichnete. Er habe Zweifel daran, dass sich die AfD als dauerhafte Partei etablieren könne und stellte, mit Blick auf die Europa-Distanz der Partei, plakativ in den Raum: „Was wären wir ohne Europa?“ Dennoch müsse man neue Parteien akzeptieren, denn so sei schließlich Demokratie, resümierte der ehemalige Außenminister.
Kein gutes Haar ließ Kinkel an einem weiteren innenpolitischen Thema, nämlich der deutschen Bildungspolitik. Fokus seiner Kritik war beispielsweise der Umgang mit digitalen Entwicklungen, auf welche die Bundesrepublik derzeit nicht vorbereitet sei. „Wir sind technologisch absolut fit, nur in digitalen Fragen hinken wir hinterher“, kommentierte er auch mit Verweis auf seine Funktion als Vorsitzender der Telekom-Stiftung, die sich mit der Bildungsförderung im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich befasst. Die größten Probleme lägen im klassischen Schulbetrieb, wo es besonders an einer fundierten Lehrerausbildung mangele. Die Universitäten nähmen die Lehrer- vor allem die MINT-Lehrer-Ausbildung nicht ernst. Ohne Lehrer gäbe es aber keine Bildung und Forschung, vor allem keine große Technologienation Deutschland. Schließlich spielten aber auch strukturelle Gegebenheiten eine entscheidende Rolle: Mit rund 40 verschiedenen Schulsystemen in Deutschland sei ein einheitlicher Qualitätsstandard nicht umsetzbar. Deutschland habe lediglich mit der Dualen Ausbildung noch einen bildungspolitisches Vorzeigeprojekt, das gelte es besonders zu erhalten und zu fördern, mahnte Dr. Klaus Kinkel.
Nach einem kurzen Ausblick auf die Situation zwischen Nord- und Südkorea fand sich die Diskussion schließlich wieder auf deutschem Boden ein und so berichtete der damalige Staatssekretär im Justizministerium von seinen Erfahrungen der deutschen Wiedervereinigung. „Ich war damals nicht der Meinung, dass die Mauer in Kürze fallen würde“, gab er unverhohlen zu. Immer wieder betonte er die menschliche Komponente hinter der politischen Entwicklung und erinnerte sich an die Nacht auf den 3. Oktober 1990, in der er im DDR-Justizministerium „das Licht ausgeknipst“ habe, für die damalige Mitarbeiter nicht nur Karriereende, sondern vor allem das Ende ihrer bisherigen Lebensinhalte. Das Publikum erlebte einen Referenten, der sich anmerken ließ, wie nahe ihm ein Teil seiner Arbeit ging, etwa, als er von der Akte eines durch die DDR-Justiz hingerichteten BND-Mitarbeiters sprach. Gemeinsam mit seinem Kollegen und damaligem Innenminister Wolfgang Schäuble habe er rund 200 Kilometer Akten der Staatssicherheit geerbt, bemerkt Kinkel und zeigt noch immer einen gewissen Stolz, maßgeblich am deutsch-deutschen Einigungsvertrag beteiligt gewesen zu sein. Ebenso nutze er die Gelegenheit, um zu verdeutlichen, dass eine Wiedervereinigung ohne externe Unterstützung, maßgeblich durch die Vereinigten Staaten, nicht möglich gewesen sei. Im Umkehrschluss ergebe sich daraus auch eine Verpflichtung für die deutsche Außenpolitik in aktuellen Fragen, so der Bundesminister a.D.: „Wir müssen nicht die Weltpolizei spielen, aber wir dürfen nicht nur am Spielfeldrand stehen.“
Titelbild: Christmas Ball Background / www.vectorbackground.net (CC-BY 3.0) streetwrk.com / flickr.com (CC BY-ND 2.0)
Bilder im Text: Maurice Schönen / Zeppelin Universität
John Pavelka / flickr. com (CC-BY-2.0)
Redaktionelle Umsetzung: Felix Lennart Hake