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Dr. rer. pol., MAS. Systemische Beraterin (SG, DFC), Studium von Betriebswirtschaftslehre und Kulturmanagement, Promotion Privatuniversität Witten/Herdecke. Seit Januar 2012 Programmdirektorin für Tailor-made Programme und Dozentin an der ZU|Professional School, und Senior Lecturer am Leadership Excellence Institut Zeppelin|LEIZ, beides an der Zeppelin Universität, Friedrichshafen u.a. für Audi AG, Daimler AG. Seit über 15 Jahren tätig als Coach und Beraterin u.a. am Zentrum für systemische Forschung und Beratung Heidelberg, für Lufthansa, Merck & Cie. Lehr- und Forschungstätigkeiten an der Zeppelin Universität, MIT Center for Collective Intelligence" (Sloan School of Management, MA), Private Universität Witten/Herdecke, Universität Zürich. Aufsichtsratstätigkeit in US-start-up. Seit 2003 Reviewerin bei Academy of Management. Zuvor in USA als Global Leadership Consultant für einen globalen Konzern in Roswell (GA) tätig. Gründerin und Projektleiterin eines Schweizer Doktorandennetzwerkes. Vorher nahm sie über lange Jahre verschiedenste Marketing- und Führungsfunktionen bei Johnson & Johnson in der Schweiz wahr. Veröffentlichungen und Vorträge zu Themen wie Global Leadership, Female Leadership, Diversity u.a. für die Robert Bosch Stiftung, DZ-Bank.
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Theresia von Woellwarth-Lauterburg hat ihr B.A.-Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Mainz im März 2014 abgeschlossen und absolviert seit September 2014 ihr Master-Studium in Communication & Cultural Management. 2012 verbrachte sie ein Auslandssemester an der Universität Autònoma de Barcelona. Während ihres Studiums konnte sie bereits viele Praxiserfahrungen sammeln, u.a. als Local Representative bei HousingAnywhere.com, Werkstudentin bei Kunze Böcking & Cie. oder als Praktikantin bei der Schott AG. Bei ihrem Praktikum bei der RECLAY GROUP in Köln arbeitete sie nicht nur für die CFO Sylvia Theis sondern bekam u.a. bei einer Veranstaltung von Freshfields Bruchhaus Dernier erste theoretische Einblicke in das Thema "Female Leadership".
Am 11. Dezember 2014 wird das Bundeskabinett das Regelwerk zur Einführung einer gesetzlichen Frauenquote verabschieden, das Justizminister Heiko Maas (SPD) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) erarbeitet haben. Das vereinbarten die Spitzen von Union und SPD auf ihrem Koalitionstreffen. Dessen Kern ist zum einen eine zwingende Quotenvorgabe von 30 Prozent für die Aufsichtsräte von gut 100 großen Aktiengesellschaften: Für alle von 2016 an stattfindenden Aufsichtsratswahlen soll festgelegt werden, dass mindestens 30 Prozent der Mandate an Frauen gehen. Gelingt das nicht, sollen die betreffenden Sitze nicht an die gewählten Männer gehen, sondern leer bleiben. Zum anderen werden 3500 mittelgroße Unternehmen mit dem Gesetz verpflichtet, sich selbst Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils zu setzen – nicht nur für den Aufsichtsrat, sondern auch für Vorstand und oberes Management. Wie im Koalitionsvertrag festgelegt, sollen sie erste Steigerungen im Jahr 2017 nachweisen und ihre Ziele später nicht nach unten korrigieren dürfen.
Im Jahr 2012 wurde im Zusammenhang mit der Frauenquote das Thema weibliche Führungskräfte in der Wirtschaft von Politik und Medien diskutiert. Ursache: 2010 lag der Anteil der Frauen in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen bei gerade mal 3,2 Prozent. Im Jahr 2013 lag dieser Anteil bei 4,4 Prozent. Der Frauenanteil in Führungspositionen lag im November 2012 in Deutschland bei knapp über 21 Prozent. In deutschen Parteien gibt es überwiegend schon Frauenquoten. So werden etwa bei Grünen und Linken 50 Prozent aller Ämter weiblich besetzt. Der Anteil der Frauen an den Parteimitgliedern liegt allerdings bei allen Parteien deutlich unter dieser Marke. Der Frauenanteil im Bundestag beläuft sich auf rund 36 Prozent der Abgeordneten. (Quelle: www.statista.de)
Caroline Brendel: Frauen sind in den Führungsetagen deutscher Konzerne unterrepräsentiert und schlechter bezahlt – der Frauenanteil in den Vorständen der 30 DAX-Konzernen Deutschlands beträgt 7% und im Vergleich verdienen Frauen 15 % weniger als Männer in der Geschäftsführung von globalen Unternehmen mit deutschen Wurzeln. Die Frauenquote, durch die börsennotierte Konzerne ab 2016 dazu verpflichtet werden 30 % ihrer Aufsichtsratposten an Frauen zu vergeben, soll am 11. Dezember beschlossen werden und die Wende bringen. Wie stehen Sie als Expertin für Leadership und Diversity und Sie als Teilnehmerin des Seminars „Leadership“ zur neuen Quotenregelung?
Dr. Angelica Marte: Das Thema Frauen und Führung ist ein sehr komplexes Thema, das aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden muss. First things first: Zahlen! Das ist meines Erachtens schon mehr ein Business Case und weniger eine Gerechtigkeitsdebatte. Verschiedene Studien rund um das Thema Female Leadership und Diversity belegen: Gemischte Führungsteams - ob im Top Management, Aufsichtsrat oder oberen Management - machen Unternehmen erfolgreicher. Umsätze und Gewinne steigen, die Nachteile von zu homogenen Gruppen werden ausgeglichen, Problemlösungskompetenzen und vor allem Eintscheidungen werden besser und kreativer. Wolley et al. haben in einer vielzitierten Studie 2010 einen „Collective Intelligence Factor“ in Teams nachgewiesen, der neben zwei anderen Komponenten durch den Anteil von Frauen im Team signifikant erhöht wird. Das bedeutet, dass die Homogenität der Führungsteams aufgebrochen werden muss. Diese vereinfachen zwar die komplexen Herausforderungen der Umwelt an Organisationen, bringen aber denen keine nachhaltigen Ergebnisse. Wie Ross Ashby schon 1956 wusste: „It takes variety to destroy variety“. Wenn man nichts verändert, verändert sich nichts.
Theresia von Woellwarth-Lauterburg: Auch ich konnte während meiner Recherche feststellen, dass Frauen in Führungspositionen ein Garant für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg sind. Die McKinsey-Studie „Women Matter“ zeigt jedoch, dass in gerade einmal knapp 30 Prozent der Unternehmen „Gender Diversity“ zu den zehn wichtigsten Prioritäten zählt. Eine Quote erzwingt die Auseinandersetzung mit diesem Thema. In Skandinavien, in denen es schon seit 2006 gesetzliche Frauenquoten gibt, sind klare Veränderungen zu beobachten. Norwegen beispielsweise hat es nicht nur geschafft, mehr Frauen in Führungspositionen zu etablieren, der Sozialwissenschaftler Gullvag-Holter hat darüber hinaus herausgefunden, dass durch mehr Frauen mit Führungsverantwortung die Scheidungsrate zurückgegangen und die häusliche Gewalt gesunken ist. Auch in Schweden ist die Management-Kultur weiblich: Im Vorstand von Electrolux stehen 25 % Frauen, bei Ericsson sind von 15 Mitgliedern in der Konzernleitung zwei weiblich.
Marte: Doch zwei Frauen in einem Aufsichtsrat von 15 Personen ändern nichts an den dann auf Männer zugeschnittenen Kommunikationsstrukturen in den Führungsetagen. Erst ab dem sogenannten „Tipping Point“ von 30% Frauen oder anderen Minderheiten in einem sonst homogenen Team hat Andersartigkeit Platz „am Tisch“. Erst dann kann sich eine patriarchische und hierarchische Unternehmenskultur ändern. Aus diesem Grund bin ich für die Frauenquote, denn warum sollen „Old-Boys-Networks“ ihren Einfluss beeinflussen lassen? Warum es schwerer machen als es ohnehin schon ist?
Brendel: Kritiker der Frauenquote weisen auf das norwegische Phänomen der „Goldröcke“ hin: Mangels geeigneter Bewerberinnen gäbe mittlerweile viele Mehrfachmandate, ein Kreis von rund 70 Managerinnen teile sich gut 300 Posten und habe „Seilschaften“ gebildet. Nach Brigitte Ederer, ehemalige Personal- und Europachefin von Siemens, jedoch haben Frauen bisher jedoch nicht gelernt, Seilschaften zu bilden. In der Vorstandsetage scheinen gerade Kontakte essentiell, was ihr Argument des „Tipping Points“ unterstützt. Doch inwiefern führen Frauen anders?
Marte: Ja, Frauen führen anders – wenn man sie lässt. Nach einer Studie von Chao und Tian von 2010 werden vor allem männlich konnotierte Führungskompetenzen wie logisch-lineare Denk- und Entscheidungsmodelle oder Fokus auf Produktivität und Ergebnisse gefördert und weibliche Kompetenzen wie das Einbringen von Empathie und Intuition sowie Konfliktmanagement bestraft. Frauen müssen sich an ihr homogenes Umfeld anpassen und ihre Unterschiede unterdrücken. So entsteht das Totschlagargument, dass es keine Unterschiede in der Führung von Männern und Frauen gibt –genauso wie der Vorwurf, es gäbe nicht genug geeignete Bewerberinnen. Frauen in der Führung sind immer noch ein Irritationsmoment. Das „Token-Phänomen“ (Müller & Sander 2011), das sich auf einzelne Frauen in einer bisher Männer dominierten Führungsebenen bezieht, löst bestimmte Gender-Stereotypen und Erwartungen aus. Das Paradoxe hierbei: Von weiblichen Führungskräften wird typisch männliches Verhalten erwartet, weil sie Führungskräfte sind, aber auch typisch weibliches, weil sie Frauen sind. Es kommt zu einem „double bind“, der simultan Differenz und Gleichheit fordert. Im übrigen, Frauen netzwerken nach einer Studie von Bevelander/Page (2011) unterschiedlich zu Männer, u.a. dass sie, wenn es brenzlig wird, Frauen ausschliessen und sich mit Männern zusammen tun.
von Woellwarth-Lauterburg: Für mich steht fest: Frauen können führen und erfolgreich sein, sie haben durch ihre heutigen Ausbildung jede Möglichkeit. Doch während der Karriereweg von Frauen und Männern bis zum 30. Lebensjahr weitgehend parallel verläuft, sinkt die weibliche Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen mit 40 Jahren auf knapp 20 Prozent. Eine weitere Problematik, die die gesetzliche Frauenquote allein nicht lösen kann, besteht also in der Vereinbarung von Beruf und Familie. Frauen in Führungspositionen haben seltener Kinder als Männer in vergleichbaren Positionen, sie sind zudem auch öfter kinderlos als andere vergleichbare Frauen im mittleren Managementbereich. Lassen sich in den männlich geprägten Führungsetagen Familienleben und Karriere nicht vereinbaren?
Marte: Frauen in Führungsebenen sind, wenn sie Kinder haben, vom „Double Burden Syndrome“ belastet. Angela Merkel ist aus diesem Grund ein „schlechtes“ Beispiel für Female Leadership, da sie keine Kinder hat, und von diesem Dilemma ausgeschlossen ist. Generell gilt: Auch die Väter haben Kinder, nicht nur die Mütter. Obwohl dies in Deutschland noch nicht der Status Quo ist, finde ich hier das Bild von „Ying und Yang“ passend – eine Partnerschaft als Einheit, bei der sich beide Teile ergänzen und unterstützen. Neben neuen weiblichen Führungsidentitäten müssen auch neue Formen der partnerschaftlichen Beziehungsidentität geformt werden.
Brendel: Wie kriegt man das nun hin? Wie kommen wir dahin, dass wir bis 2016 kompetente Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen haben, die auf ihre Aufgaben vorbereitet sind?
Marte: Im Zentrum ist das Thema Qualifizierung von Aufsichtsräten auf Augenhöhe. Wie Thomas Sattelberger feststellt, haben die Firmen Frauenförderung mehr als ein Jahrzehnt verschlafen. Konzerne müssen eigene Pools entwickeln, interne Ernennungen sind nachhaltiger als externe, was eine aktuelle Studie von Strategy& belegt. Es eröffnet sich eine große Chance, auch generell zu reflektieren, was Aufsichtsräte überhaupt können müssen. Eigenlogik mit Haftung, Rechte und Pflichten, das Rollenverständnis, die eigene Rollenprofilierung und Dynamiken im Aufsichtsrat kommen hinzu zu rechtlichen und finanztechnischen Prüfungsaufgaben, Global Governance, Governance Ethik, Compliance, Leadership Excellence, Strategie, Change, Networking. Wie gehe ich mit anderen Stakeholdern, Konflikten und Krisen um – was heißt Aufsicht überhaupt? Wie beobachte ich was ich beobachte? Für diese Selbsteinschätzung haben wir am LEIZ einen Transcultural Profiler entwickelt, um die eigenen Wertedimensionen einzuschätzen und zu reflektieren.
Wenn jetzt mehr Frauen in Aufsichtsräte und Vorstände berufen werden, müssen Stereotypisierungsphänomene und Irritation besprochen werden. Auch eine mediale Qualifizierung ist wichtig. Mein Lieblingsbeispiel ist die Betitelung von Sheryl Sandberg als „Facebooks Supernanny“ in der Financial Times Deutschland vom 31.1.2012. Gab es je so einen Titel für männliche CFOs? Welche Medialisierung ist zu erwarten und wie kann das genützt werden?
von Woellwarth-Lauterburg: Frauen müssen weiblich sein dürfen, auch wenn sie führen. Nichts ist absurder, als dass man als Frau neutral oder fast “männlich” auftreten muss. Sobald der „Token-Status“ und so auch die Definition von „richtigem, weil männlichem“ Führungsverhalten überwunden ist, sollten sich Frauen zum Beispiel keine Gedanken mehr darüber machen müssen, ob ihre Kleidung zu feminin ist. Auch das Unternehmen muss sich verantwortlich fühlen und die Veränderung durch die Quote annehmen. Diese muss als Chance für mehr Heterogenität in der Führung gesehen werden. Das Blickfeld verbreitert sich, wenn man interdisziplinär und mit verschiedenen Perspektiven arbeitet.
Marte: Das Thema „Verführung“ ist hierbei eben auch ein „Price-to-Pay“. Mit diesem muss man jedoch nicht tabuisierend sondern aktiv umgehen. Um das zu pointieren: Das betrifft die Länge des Rockes genauso wie gemeinsame und viele Geschäftsreisen von Frauen und Männern. Das fördert doch die Lebendigkeit in Organisationen. Weitere Herausforderungen sind längere Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse, Vieldeutigkeit, Konflikte, Komplexität, Unsicherheit, aber all das macht Entscheide multiperspektivischer und im Ergebnis besser. Abschliessend ist mir wichtig festzustellen, dass sich das Oben und das Unten in Organisationen spiegelt und alle Perspektiven in den unterschiedlichen Führungsgremien vertreten sind. Das betrifft nicht nur Gender, sondern zum Beispiel auch Kulturen, Altersgruppen, und vor allem auch Berufsgruppen. Wieso sind hauptsächlich Juristen und Wirschaftsprüfer in Aufsichtsräten zu finden und wie limitiert sind dann Draufsichten bei diesen Aufsichten?
Titelbild: "We Can Do It!" by J. Howard Miller, artist employed
by Westinghouse, poster used by the War Production Co-ordinating
Committee - From scan of copy belonging to the National Museum of
American History, Smithsonian Institution, retrieved from the
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Bilder im Text: European People's Party / flickr.com (CC BY 2.0),
International Monetary Fund / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0),
Fortune Live Media / flickr.com (CC BY-ND 2.0),
"Jade Raymond Feb 2012" by ZCooperstown - Own work. Licensed
under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons,
«Women in Economic Decision-making Christine Lagarde
(8414041294)» par World Economic Forum from Cologny,
Switzerland — Women in Economic Decision-making: Christine
Lagarde Uploaded by January. Sous licence CC BY-SA 2.0
via Wikimedia Commons.
Interview: Caroline Brendel
Redaktionelle Umsetzung: Alina Zimmermann