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Faszination Ekel

Der ganz normale Dschungelwahnsinn

Ein Erfolgsgeheimnis des Dschungelcamps ist der gut produzierte und erwartbare Skandal: Hier haben wir die Kandidaten aus allen Feldern der Unterhaltungsbranche, die polarisierend, extrovertiert, schrill, laut, nackt oder alles gleichzeitig sind und dies im Camp natürlich auch sein werden.

Dr. Martin R. Herbers
Akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Medien- & Kommunikationswissenschaft
 
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    Zur Person
    Dr. Martin R. Herbers

    Dr. Martin R. Herbers ist seit September 2012 am Lehrstuhl für Allgemeine Medien- und Kommunikationswissenschaft als Akademischer Mitarbeiter beschäftigt. Zu seinen Arbeits- und Interessensgebieten zählen Phänomene der politischen Öffentlichkeit, politische Unterhaltungskommunikation und visuelle Kommunikation. 2013 schloss er erfolgreich sein Promotionsprojekt zur Produktion politischer Unterhaltungssendungen im deutschen Fernsehen ab.

    In den Jahren 2008 bis August 2012 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster auf verschiedenen Positionen und Projekten tätig.

    Von 2003 bis 2007 studierte er an der Westfälischen Wilhelms-Universität Kommunikationswissenschaft mit den Nebenfächern Psychologie und Deutsche Philologie.  

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Was macht den Erfolg des Dschungelcamps aus?


Dr. Martin R. Herbers: Ich denke, dass es hier mehrere Gründe gibt. Die Sendung ist ein Selbstläufer, die eigentlich gar nicht groß beworben werden muss und regelmäßig ein großes Publikum findet. Dies setzt sich aus Stammzuschauern zusammen, welche der Sendung bereits seit einigen Staffeln treu sind und den neuen Publikumsmitgliedern, die, vielleicht aus Neugier, erst seit Kurzem dabei sind.


Darüber hinaus ist das Erfolgsgeheimnis der Sendung der gut produzierte und erwartbare Skandal: Hier haben wir die Kandidaten aus allen Feldern der Unterhaltungsbranche, die polarisierend, extrovertiert, schrill, laut, nackt oder alles gleichzeitig sind und dies im Camp natürlich auch sein werden. Skandalös ist auch das Treiben in der Sendung, vor allem in den Dschungelprüfungen, in der bewusst verschiedenste Tabubrüche inszeniert werden. Und schließlich wäre da noch das voyeuristische Element, bei dem die Kandidaten außerhalb ihres normalen Umfelds bestehen müssen. Hier werden – ähnlich wie in der Sendung Big Brother – die Masken fallen gelassen und die Kandidaten „beichten“ vor Publikum frühe Verfehlungen oder berichten über persönliche Befindlichkeiten.

Ein verträgliches Bild für ein typisches Dschungelmenü zu finden, ist gar nicht leicht: Denn auf dem Speiseplan steht jede Menge Ekelzeug. Ein besonderes Highlight: Die Ekel-Pizza für die Thronanwärterinnen Fiona und Claudelle im Januar 2013: Ziegenzunge, Fischauge und gekochter Kamelpenis, lebende Sandwürmer und ein Cocktail aus Kamelblut. Nicht gerade das, was man in einem Wissenschaftsmagazin sehen will. Da kommt die Durian gerade recht – die Stink-, Käse- oder Kotzfrucht schmeckt zwar nicht, sieht aber immerhin nett aus. Dieser Trumpf im Dschungelinventar wächst in Indonesien und Malaysia. Um den üblen Gestank der Frucht aus dem Weg zu gehen, ist dort das Mitführen der Durian in U-Bahnen, Hotels oder Flugzeugen verboten. Und auch die Durian nach Deutschland liefern zu lassen, ist gar nicht so leicht. Da muss man dann schon eine Firma beauftragen, die sich auf luftdichte Verpackungen spezialisiert hat. Und wenn sie diese Reise doch nicht antritt, dann landet sie bei den Dschungelcampern auf dem Teller.
Ein verträgliches Bild für ein typisches Dschungelmenü zu finden, ist gar nicht leicht: Denn auf dem Speiseplan steht jede Menge Ekelzeug. Ein besonderes Highlight: Die Ekel-Pizza für die Thronanwärterinnen Fiona und Claudelle im Januar 2013: Ziegenzunge, Fischauge und gekochter Kamelpenis, lebende Sandwürmer und ein Cocktail aus Kamelblut. Nicht gerade das, was man in einem Wissenschaftsmagazin sehen will. Da kommt die Durian gerade recht – die Stink-, Käse- oder Kotzfrucht schmeckt zwar nicht, sieht aber immerhin nett aus. Dieser Trumpf im Dschungelinventar wächst in Indonesien und Malaysia. Um den üblen Gestank der Frucht aus dem Weg zu gehen, ist dort das Mitführen der Durian in U-Bahnen, Hotels oder Flugzeugen verboten. Und auch die Durian nach Deutschland liefern zu lassen, ist gar nicht so leicht. Da muss man dann schon eine Firma beauftragen, die sich auf luftdichte Verpackungen spezialisiert hat. Und wenn sie diese Reise doch nicht antritt, dann landet sie bei den Dschungelcampern auf dem Teller.

Warum ist die Sendung immer noch so reizvoll für Zuschauer?


Herbers: Hier kommen einige Punkte zusammen, die das Dschungelcamp immer noch für die Zuschauer attraktiv machen. Zum einen ist es die Macht der Gewohnheit. Nach nunmehr zehn Staffeln gehört die Sendung zum festen TV-Programm im Januar – genau wie der Staffelstart von Deutschland sucht den Superstar, die verschiedenen Wintersportveranstaltungen oder die neuen Ausgaben der politischen Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dies ist auch das Ergebnis einer konservativen Programmplanung seitens der Sender, die Erwartbarkeiten beim Zuschauer hervorruft und auch einlöst. Daneben stellt sich – gerade in dieser Staffel – das bewusste Spiel mit der „Echtheit“ des Dschungelcamps als Motiv ein. Hinweise, dass im Dschungel alles nur fake sei, werden immer wieder im Boulevardjournalismus lanciert, was natürlich den Zuschauer zum Detektiv werden lässt – vielleicht sieht man ja im wahrsten Sinne des Wortes hinter die Kulissen. Und natürlich ist und bleibt die Beobachtung der Kandidaten im Lager und bei den Dschungelprüfungen ein reizvolles Motiv.

Über sieben Brücken schickte die DDR-Rockband 1978 ihre Hörer – für den Weg ins Dschungelcamp dagegen reicht schon eine Brücke. Wo die steht, das weiß aber niemand so genau. Immer wieder werden Gerüchte aufgekocht, dass Camp läge in einer großen Halle irgendwo in den Niederlanden. In Wirklichkeit soll die Show auf einem Farmgelände in Dungay in New South Wales – weit an der Ostküste Australiens – gedreht werden. An der Produktion sind je nach Angabe zwischen 150 und 400 Mitarbeiter beteiligt. Die Produktion einer Staffel kostet RTL rund 30 Millionen Euro. Zum Vergleich: Je nach Bekanntheitsgrad schwankt die Gage für die Camper zwischen 30.000 und 60.000 Euro.
Über sieben Brücken schickte die DDR-Rockband 1978 ihre Hörer – für den Weg ins Dschungelcamp dagegen reicht schon eine Brücke. Wo die steht, das weiß aber niemand so genau. Immer wieder werden Gerüchte aufgekocht, dass Camp läge in einer großen Halle irgendwo in den Niederlanden. In Wirklichkeit soll die Show auf einem Farmgelände in Dungay in New South Wales – weit an der Ostküste Australiens – gedreht werden. An der Produktion sind je nach Angabe zwischen 150 und 400 Mitarbeiter beteiligt. Die Produktion einer Staffel kostet RTL rund 30 Millionen Euro. Zum Vergleich: Je nach Bekanntheitsgrad schwankt die Gage für die Camper zwischen 30.000 und 60.000 Euro.

Warum verspüren wir Lust daran, Menschen dabei zuzuschauen, wie sie in Dschungelprüfungen Ekel empfinden und damit Leid erfahren?


Herbers: Die Attraktivität des Ekels ist ein Thema, das kulturgeschichtlich schon lange diskutiert wird – und nicht nur mit dem Blick in den Dschungel. Zwei Erklärungen lassen sich aber von medienpsychologischer und mediensoziologischer Seite geben. Psychologisch betrachtet greifen hier die Phänomene der Schadenfreude und des sozialen Vergleiches. Zum einen erfreut sich der Zuschauer am Missgeschick der anderen, wobei sich hierbei auch ein Gefühl der Überlegenheit einstellt, das man den Teilnehmern der Sendung gegenüber empfindet. Damit einher geht ein sozialer Vergleich der Zuschauer mit den Kandidaten: Man bekommt vor Augen geführt, dass es andere Menschen (zumindest momentan) schlechter haben, als man selbst, was eine positive Bewertung der eigenen Situation nach sich zieht.


Aus mediensoziologischer Sicht kann man die Attraktivität der Sendung mit der Idee eines sozialen Schutzraumes beschreiben, in dem gefahrlos Dinge getan werden dürfen, die sonst nicht erlaubt sind. Der Zuschauer kann dies für sich bewerten und bekommt so durch den Regelbruch aufgezeigt und bestätigt, wie gesellschaftliches Leben eigentlich funktioniert. Damit verbunden ist auch hier eine positive Bewertung der eigenen Situation: Da man selbst alles richtig gemacht hat, muss man auch keine Kakerlaken essen.

Auf was für Charaktere stoßen wir im Dschungelcamp? Gibt es von Staffel zu Staffel wiederkehrende Rollenmuster?


Herbers: Über alle Staffeln hinweg lassen sich ein paar Muster erkennen, die immer wieder auftauchen. Auch dies gehört zu den Erwartbarkeiten, welche die Sendung attraktiv machen: Wir haben weise Campväter und -mütter, die auf den unbedarften und naiven Nachwuchs achtgeben, es gibt die Kranken und Siechenden, die meist früh freiwillig ausscheiden, die (meist nackten) Skandalnudeln ebenso wie Kandidaten, die von vergangenem Ruhm zehren und es einfach noch mal wissen wollen. Daneben existieren die Entertainer, die das ganze Camp bei Laune halten, die dauerhaft schlecht gelaunten Kandidaten sowie die Putzteufel, die sich um die Sauberkeit im Camp kümmern. Und schließlich natürlich noch diejenigen, die sich durch besonderen Biss und Ehrgeiz auszeichnen und alle Prüfungen gut bestehen wollen. Aber in der Regel finden sich diese Rollen nicht in der Reinform wieder, sondern werden oftmals in Personalunion von einem Kandidaten verkörpert.

Na, was haben wir denn da? Einen D-Prominenten? Ein schmackhaftes Stück Truthahn-Hintern? Oder doch ein Sorbet von der Kotzfrucht? Egal was aufgetischt wird und wer die Leckereien verdrücken muss – das Moderations-Duo Sonja Zietlow und Daniel Hartwich hat stets die passenden Sprüche parat. Mal charmant und einfühlsam, doch meistens fies und frech unterlegen die beiden bereits zum fünften Mal das Dschungelcamp mit den ihren Kommentaren. Nach einem spontan Einsatz als Vertretung im Januar 2009 übernahm Hartwich 2013 die Moderation des verstorbenen Dirk Bachs. Für ihre Sprüche wurde das Duo 2013 mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet.
Na, was haben wir denn da? Einen D-Prominenten? Ein schmackhaftes Stück Truthahn-Hintern? Oder doch ein Sorbet von der Kotzfrucht? Egal was aufgetischt wird und wer die Leckereien verdrücken muss – das Moderations-Duo Sonja Zietlow und Daniel Hartwich hat stets die passenden Sprüche parat. Mal charmant und einfühlsam, doch meistens fies und frech unterlegen die beiden bereits zum fünften Mal das Dschungelcamp mit den ihren Kommentaren. Nach einem spontan Einsatz als Vertretung im Januar 2009 übernahm Hartwich 2013 die Moderation des verstorbenen Dirk Bachs. Für ihre Sprüche wurde das Duo 2013 mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet.

Welche Rolle nehmen das Moderatorenduo Daniel Hartwich und Sonja Zietlow ein?


Herbers: Kulturgeschichtlich gesehen nehmen die beiden die Rolle eines Theaterchors ein, der das Geschehen kommentiert, moralisch bewertet und dem Zuschauer die „gewünschte Reaktion“ im Sinne des Aufzeigens des sozialen Regelbruches vorführt. Die Moderatoren sind die Verbündeten der Zuschauer: Im wahrsten Sinne des Wortes beurteilen sie die Ereignisse im Camp von oben herab und verstärken auf psychologischer Seite den sozialen Vergleich. Als Stilmittel verwenden sie Ironie und Häme und kommentieren das Geschehen auf eine komische Art und Weise. Dadurch werden sie für den Zuschauer ebenfalls ein attraktiver Grund, die Sendung einzuschalten. 


23,8 Prozent aller Zuschauer haben nach den letzten Erhebungen einen Studienabschluss: Wie erklären Sie sich das?


Herbers: Ohne die Erhebung genau zu kennen, würde ich dies dahingehend deuten, dass das alte Vorurteil des „Unterschichtenfernsehens“ hier nicht gilt. Ein Fernsehprogramm zieht nicht notwendigerweise ein bestimmtes Publikum nach sich – Letzteres kann frei entscheiden, was es gerne sehen will und warum es den Fernseher anmacht. Die Sendung ist massenattraktiv, sei es aufgrund der Kandidaten, der Moderatoren oder einfach nur deswegen, weil man sich selbst ein Bild machen möchte und deswegen einschaltet.

Was zeichnet die Dschungelkönigin beziehungsweise den Dschungelkönig aus?

Herbers:Im Wesentlichen können hier zwei Eigenschaften angeführt werden: Zum einen müssen Dschungelkönigin oder Dschungelkönig publikumsattraktiv sein. Dies kann mehrere Gründe haben: Die Zuschauer können sich für bekannte Gesichter, die sie gerne wieder sehen möchten, entscheiden oder belohnen „unauffälliges“ Verhalten. Es zeigt sich ja, dass die skandalträchtigen Kandidaten zwar alle Dschungelprüfungen ablegen müssen, aber kaum gewinnen. Mediensoziologisch könnte man sagen, dass hier die Einhaltung von sozialen Regeln belohnt wird und das role-model noch einmal hervorgehoben wird. Zum anderen müssen Dschungelkönigin oder Dschungelkönig produktionsseitig attraktiv sein: Die Kandidaten stammen ja aus dem weitesten Kreis des Boulevards und der Unterhaltung, oft auch aus anderen Fernsehsendungen, das heißt sie sind medienerfahren und können problemlos in Anschlussverträge übernommen und so weiter vermarktet werden.


Was denken Sie? Wer wird in der diesjährigen Staffel als Sieger hervorgehen?

Herbers: Ich denke, dass aus den genannten Gründen Menderes Bağcı das Rennen macht – erst ist ein netter Kerl, ein Kumpeltyp. Und vor allem: Er kennt als langjähriger Kandidat von Deutschland sucht den Superstar die Unterhaltungsbranche und ist bereits bei RTL unter Vertrag.

Titelbild: 

| RTL  / Stefan Gregorowius


Bilder im Text: 

| „D101 and random stock“ von Yun Huang Yong from Harbord, Australia - Two varieties of Durian. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons.

| „Imacelebritygetmeottahere004“ von Seandigger aus der englischsprachigen Wikipedia. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

| RTL / Stefan Gregorowius


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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