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Katja Fischer ist in Augsburg geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur konnte sie sich zunächst vorstellen, Theaterwissenschaft oder sogar Jura zu studieren, kam dann aber nach einem Praktikum beim Radio doch zur Entscheidung, „irgendwas mit Medien“ zu machen. Privatunis kamen für sie nie in Frage, wurde jedoch nach der Empfehlung eines Freundes von der ZU überzeugt. Während ihres Studiums war sie vor allem im Cheerleadingteam, im Vorstand vom Hochschulsport und bei ZUtaten aktiv. Nach zwei Praktika – beim Fernsehen und bei einem Start-up in London – und einem Auslandssemester an der UC Berkeley verstärkte sich ihr Interesse für die Kommunikation immer mehr. Deshalb absolvierte sie auch nach dem Bachelor ein Praktikum bei einer Kommunikationsberatung in Frankfurt und hat nun ihren Master in Communication Management an der Universität Leipzig begonnen.
Wie bist Du auf das Thema Deiner Bachelorarbeit gestoßen?
Katja Fischer: Ehrlich gesagt habe ich mir zuerst meinen Betreuer ausgesucht und habe dann mit ihm gemeinsam überlegt, welches Thema für mich interessant wäre und gleichzeitig zum Forschungsschwerpunkt meines Betreuers passt. Nachdem mein Betreuer, Dr. Dennis Lichtenstein, mein Wissenschaftscoach war und ich bereits drei Semester bei ihm als studentische Hilfskraft gearbeitet hatte, war es für mich naheliegend, ihn zu fragen, ob er meine Bachelorarbeit betreut; denn für mich war ein gutes Verhältnis zu meinem Betreuer und das Wissen, ihn zu jeder Zeit alles fragen zu können, fast wichtiger als das perfekte Thema. Das hat sich – rückblickend betrachtet – als sehr gute Entscheidung erwiesen. Da mein Thema „Formen medialer Politikdarstellung und ihre Wirkungen – ein Vergleich von Tagesschau, heute-show und YouTube“ im Bereich politischer Kommunikation liegt und sowohl gesellschaftlich relevant als auch aktuell ist, bin ich sehr zufrieden mit meiner Themenwahl.
Wie hat sich die Art und Weise der medialen Politikdarstellung in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Fischer: Zunächst einmal muss man wissen, dass sich das, was Rezipienten von medialer Politikdarstellung erwarten, deutlich verändert hat. So sagt Oscar Wilde: „Die Öffentlichkeit hat eine unersättliche Neugier, alles zu wissen, nur nicht das Wissenswerte.“ Diesem veränderten Interesse der Rezipienten folgend, zeichnet sich seit den 1990er-Jahren eine Reaktion der Massenmedien ab: Politische Inhalte werden anders aufbereitet. Informative Inhalte werden mit solchen, die unterhalten, kombiniert, was der Medienwissenschaftler Andreas Dörner als Politainment beschreibt. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Spartenangebot der deutschen Fernsehindustrie (privat und öffentlich-rechtlich) wider: Im Vergleich zum Jahr 2014 sank der Anteil der Informationsangebote von 46 auf 44 Prozent, wobei der Anteil an unterhaltenden Formaten im gleichen Zeitraum von 13 auf 15 Prozent anstieg.
Was ist mit den Begriffen Soft News und Hard News gemeint und wie können sie voneinander abgegrenzt werden?
Fischer: In der Fachliteratur herrscht immer noch Uneinigkeit über die Definition der beiden Begriffe. Für meine Bachelorarbeit habe ich aber folgende Definition verwendet: Soft News sind Formate, deren Inhalte persönlich-visuell und mit dem Ziel der Unterhaltung präsentiert werden; Hard News-Formate zeichnen sich im Gegensatz dazu durch einen sachlichen Präsentationsstil aus, der dazu dient, die Rezipienten zu informieren.
Warum hast du dich entschieden, Wissen und Einstellung als Medienwirkungen zu untersuchen?
Fischer: In der Medienwirkungsforschung werden unzählige Medienwirkungen untersucht. Oft spielen die negative Wirkung von gewaltorientierten Videospielen oder die vermeintlich positive Wirkung von sozialen Medien auf die Partizipationskultur eine zentrale Rolle. Doch gerade aus gesellschaftlicher Sicht sind die Faktoren Wissen und Einstellung wichtig zu betrachten, da es hier darum geht, was die Bürger mittels Massenmedien und Nachrichten über die gesellschaftliche Realität, das politische System oder über aktuelle Ereignisse lernen und welchen Einfluss dies auf die öffentliche Meinung hat.
Welche medialen Formate und welches politische Thema hast Du für deine Untersuchung gewählt?
Fischer: Um einen Vergleich von Hard News und Soft News zu gewährleisten, habe ich mich für die Tagesschau als klassisches Nachrichtenformat im Bereich Hard News entschieden. Im Bereich Soft News dagegen habe ich ein Satireformat mit aufgenommen und – aufgrund einer erheblichen Forschungslücke in Bezug auf politikvermittelnde Online-Medien – ein internetbasiertes Politainment-Format. Daraus ergaben sich die heute-show und die Nachrichtenrubrik LeNEWS des YouTubers LeFloid. Nachdem ich die Formate ausgewählt hatte, war es mein Ziel, drei Videos zu finden (eines aus jedem Format), die in möglichst ähnlicher Weise über das gleiche politische Thema berichten. Nachdem ich mir systematisch unzählige Videos der drei Formate angeschaut hatte, ergab sich schließlich der UN-Migrationspakt als geeignetes politisches Thema.
Inwieweit unterscheidet sich die Berichterstattung der Formate über den UN-Migrationspakt?
Fischer: Obwohl ich vorhatte, drei Videos zu finden, die das Thema UN-Migrationspakt ähnlich aufbereiten, ergaben sich inhaltliche und formale Unterschiede. Im Gegensatz zur Tagesschau wurde das Thema in der heute-show und von LeFloid unterhaltender aufbereitet und satirisch kommentiert. Außerdem bewerten die drei Formate den UN-Migrationspakt unterschiedlich: Während LeFloid sehr positiv über den Pakt spricht, weist die heute-show darauf hin, dass er nicht ganz perfekt ist – die Tagesschau schließlich liefert sowohl positive als auch negative Argumente. Zudem ist der Anlass der Berichterstattung nicht derselbe: Tagesschau und heute-show beziehen sich auf eine Bundestagsdebatte; LeFloid produziert eher ein allgemeines Erklärvideo zum UN-Migrationspakt.
Welchen Einfluss haben Soft News auf Erinnerungsleistung, Lernfähigkeit und Informiertheit der Rezipienten?
Fischer: Ich habe angenommen, dass Personen, die Soft News konsumieren, Informationen besser erinnern und sich informierter fühlen als Personen, die Hard News konsumieren. Beide Hypothesen konnten nicht pauschal für beide Soft News-Formate angenommen werden, sondern lediglich für den Konsum von YouTube. Die Schlussfolgerung, die sich für mich aus diesem Ergebnis ergab, ist, dass Soft und Hard News nicht als dichotome Begriffe gesehen werden dürfen, sondern man verschiedene Formate eher auf einer Skala anordnen sollte, an deren Enden jeweils Soft beziehungsweise Hard News stehen. Wie im echten Leben ist auch hier nicht alles schwarz oder weiß, sondern man muss verschiedene Grautöne betrachten.
Außerdem habe ich vermutet, dass je geringer das politische Interesse einer Person ist, sie umso mehr aus Soft News lernt. Diese Hypothese konnte nicht bestätigt werden, was jedoch nicht bedeutet, dass dieser Zusammenhang nicht besteht. Ich denke vielmehr, dass das hohe Bildungsniveau und das überdurchschnittlich starke Politikinteresse der Studienteilnehmer dieses Ergebnis erklären.
Was hast Du in Bezug auf den Einfluss medialer Berichterstattung auf die Einstellung der Rezipienten zu politischen Themen herausgefunden?
Fischer: In Bezug auf die Einstellung als Medienwirkung habe ich angenommen, dass Soft News die Einstellung zu politischen Themen stärker beeinflussen als Hard News. Auch diese Hypothese konnte ich nur für die YouTube-Gruppe bestätigen, was ebenfalls bestätigt, dass von einer dichotomen Betrachtung der Begriffe abgelassen werden sollte.
Was sind weitere Erkenntnisse?
Fischer: Ich habe als zusätzlichen Faktor die Voreinstellung zum UN-Migrationspakt in meinem Fragebogen abgefragt. Die Tatsache, dass die Voreinstellung signifikante Effekte in allen einstellungsbezogenen Regressionsmodellen aufwies, macht deutlich, dass trotz signifikanter Effekte der präsentierten Stimuli mediale Politikdarstellung nur eine begrenzte Wirkung auf die Einstellung hat. Da Einstellungen jedoch generell zeitlich überdauernd und verhältnismäßig unveränderlich sind, war dieses Ergebnis erwartbar. Die gefundenen Effekte bestätigen jedoch auch die Tatsache, dass Einstellungen auch aus den zum Zeitpunkt der Urteilsbildung verfügbaren Informationen immer wieder neu gebildet werden können. Das Ergebnis, dass das präsentierte YouTube-Video schon bei einmaliger Rezeption einen Einfluss auf die Einstellung zu politischen Themen hatte, lässt vermuten, dass sich dieser Effekt bei vermehrter Rezeption von Soft News verstärken könnte.
Eine weitere interessante Erkenntnis war, dass die Einstellung zu Migranten in Deutschland stark vom Alter, Geschlecht und Bildungsniveau abhängt. Generell waren ältere Teilnehmer negativer in Bezug auf Migranten eingestellt und Frauen positiver als Männer. Zudem sind gebildetere Menschen positiver zu Migranten eingestellt als weniger gebildete.
Was bedeuten die Ergebnisse für Medienschaffende und die Gesellschaft?
Fischer: Für YouTuber gilt: Eine Balance aus Information und Unterhaltung ist der Schlüssel zum Erfolg für Politainment-Formate. Für die Tagesschau als Format des Qualitätsjournalismus lässt sich schließen, dass sie weiterhin ein solides Informationsangebot darstellt, jedoch der Gefahr, politische Themen zu kompliziert darzustellen, entgegenwirken muss. Dies impliziert nicht die Integration unterhaltender Elemente, sondern vielmehr eine verständliche Aufbereitung der Informationen. Die Integration von Unterhaltung im Qualitätsjournalismus sollte politischen Satirikern überlassen werden; denn diese haben die Möglichkeit, den Rezipienten ergänzende Informationen zu klassischen Informationsformaten durch eine unterhaltende Aufbereitung zu liefern.
Für die Gesellschaft und die Rezipienten bedeuten die Ergebnisse, dass Soft News durchaus eine Chance haben, als valide Informationsquelle zu gelten. Dies gilt vor allem für Menschen, die sich wenig für Politik interessieren – diese können durch den Soft News-Konsum Zugang zu Politik erhalten. Wichtig ist jedoch, dass Soft News einen erheblichen Einfluss auf die Einstellung der Bürger zu politischen Themen haben können. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Gesellschaft ein mediengesteuertes Meinungsbild droht, sollten sich Bürger ausschließlich über Soft News informieren. Die großen Marktanteile der Tagesschau und anderer klassischer Nachrichtenformate lassen dieses Worst Case-Szenario zwar als unwahrscheinlich erscheinen, jedoch sollten die Medienmacher durch qualitativ hochwertigen, aber verständlich präsentierten Journalismus dem Trend der Unterhaltungsorientierung entgegenwirken.
Titelbild:
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Bilder im Text:
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm