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US-Präsidentschaftswahl

Thank God it's Trump!

Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und es ist nicht alles schlecht, was Trump mit sich bringt. Trump hat uns gezeigt, wozu ausgegrenzte, wütende, enttäuschte, ängstliche und protestierende Menschen fähig sind. Wir sollten es der Staatsform der Demokratie danken, dass ein solcher Protest möglich ist.

Marius Bessenbach, Aras Direkoglu, Marco Lotz, Max Röcker, Sophie Waitz, Olympia von Wimpffen, Ferdinand Wintermantel, Jakob Wirth, Patrick Wolf
Studierenden des ZU-Seminars „Extremismus, Populismus, Radikalismus“
 
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    Zur Person
    Marius Bessenbach, Aras Direkoglu, Marco Lotz, Max Röcker, Sophie Waitz, Olympia von Wimpffen, Ferdinand Wintermantel, Jakob Wirth, Patrick Wolf

    Im Vertiefungsseminar „Populismus, Radikalismus, Extremismus“ haben sich die Autorinnen und Autoren dieses Artikels intensiv mit Theorien, Entstehungsgeschichten und Charakteristika von Populismus auseinandergesetzt. Geleitet wurde das Seminar von Alexander Ruser, Vertretungsprofessor für den Lehrstuhl für Kulturtheorie und -analyse. Teil des Seminars war aus aktuellen Gründen auch die Beschäftigung mit der Person und der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. In diesem Text versuchen sie, das „Phänomen Trump“ aus einer positiven Richtung zu beleuchten. 

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Als allererstes fällt einem da natürlich die Selbstbräuner- und Haartransplantationsbranche ins Auge, die jetzt ein prominentes Testimonial im Oval Office haben werden, gefolgt von Herstellern unüberwindbarer Gussbetonelemente. Aber auch die angeschlagene Deutsche Bank (dem Berichten zufolge größten Gläubiger des Immobilien-Moguls), die den Druck der US-Behörden etwas schwächer verspüren dürfte, könnte profitieren, genauso wie Volkswagen und andere Motorenhersteller, die sich durch das Clean Air Act Enforcement der „Employment Prevention Agency (EPA)“ (Marco Rubio) zuletzt gar zu sehr in ihren Geschäftspraktiken eingeschränkt sahen und aufatmen dürften, dass die EPA jetzt von der Kohlelobby übernommen wird (wenn der neue Fokus nun nicht auf Protektionismus geht). Ganz zu schweigen von der hellen Freude, die in der Kohleindustrie selbst herrschen muss.


Auf der anderen Seite profitieren zivilgesellschaftliche Interessengruppen, die sich für die Rechte von Immigranten, Schwarzen, Homosexuellen, Frauen, Fakten und andere durch eine Trump-Administration bedrohte Teile der Gesellschaft einsetzen, da sie nun nie dagewesene Spendeneingänge verzeichnen können. Ein anderer großer Profiteur seiner Wahl sind die Medien. Einerseits Zeitungen, deren Abonnements trotz des Abgesangs auf das Medium sprunghaft angestiegen sind, aber andererseits insbesondere die überregionalen Nachrichtensender, namentlich CNN, Fox News, MSNBC und andere, die schon während des Wahlkampfes mit all seinen Skandalen traumhafte Zuschauerquoten genießen durften, und jetzt erkennen, dass das erst das Vorspiel war. Wie langweilig wäre es doch mit Hillary Clinton geworden! Wäre sie gewählt worden, hätte man wohl vielerorts aufgeatmet, erleichtert „das geringere Übel“ in Kauf genommen und mit einer „Business as usual“-Mentalität auf die USA geblickt. Mit der Wahl von Donald Trump ist diese Gleichgültigkeit verschwunden – und damit der Diskurs eröffnet!

Wie ein Schachtelteufel, eine kleine unscheinbare Kiste, aus der auf Knopfdruck ein fieser Clown hervorspringt, war er plötzlich da: Nur zwei Tage nach der US-Wahl macht es sich der designierte 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald J. Trump, zum ersten Mal im Weißen Haus gemütlich. Das erste Treffen nennt Trump „exzellent“, nennt den scheidenden Präsidenten Barack Obama einen „sehr guten Mann“. Doch Obama schmerzt die Konfrontation sichtlich, dabei hätte ihn die Überraschung nicht allzu schwer treffen dürfen: „Sie haben ihn gewählt, weil sie klare Veränderungen wollen im Land, und nicht nur einen faden Kurswechsel“, urteilt ARD-Moderator Jörg Schöneborn in einem Blog-Post: „Donald Trump hat vor allem im mittleren Westen, aber auch in anderen Bundesstaaten sehr viel stärker bei Männern ohne College-Abschluss gepunktet als erwartet und von den Demoskopen bei ihren Berechnungen unterstellt. Hillary Clinton hat es umgekehrt nicht geschafft, das Potential der Minderheitenwähler auszuschöpfen.“
Wie ein Schachtelteufel, eine kleine unscheinbare Kiste, aus der auf Knopfdruck ein fieser Clown hervorspringt, war er plötzlich da: Nur zwei Tage nach der US-Wahl macht es sich der designierte 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald J. Trump, zum ersten Mal im Weißen Haus gemütlich. Das erste Treffen nennt Trump „exzellent“, nennt den scheidenden Präsidenten Barack Obama einen „sehr guten Mann“. Doch Obama schmerzt die Konfrontation sichtlich, dabei hätte ihn die Überraschung nicht allzu schwer treffen dürfen: „Sie haben ihn gewählt, weil sie klare Veränderungen wollen im Land, und nicht nur einen faden Kurswechsel“, urteilt ARD-Moderator Jörg Schöneborn in einem Blog-Post: „Donald Trump hat vor allem im mittleren Westen, aber auch in anderen Bundesstaaten sehr viel stärker bei Männern ohne College-Abschluss gepunktet als erwartet und von den Demoskopen bei ihren Berechnungen unterstellt. Hillary Clinton hat es umgekehrt nicht geschafft, das Potential der Minderheitenwähler auszuschöpfen.“

Etablierte Wahlsysteme, „repräsentative Wahlvorhersagen“ und herkömmliche Wahlkämpfe haben in der vergangenen Wahl gänzlich versagt. Es wird Zeit, die Systematiken und so oft gepredigte Alternativlosigkeit der Politik zu hinterfragen, es wird Zeit, „to grab democracy by the pussy“. „Pussy“ sollte hier wörtlich genommen werden: Wir müssen uns mit den Schambereichen moderner Demokratie auseinandersetzen, über die Punkte und Schwachstellen diskutieren, die bisher als selbstverständlich abgetan oder als zu sensibel unter den Tisch fallen gelassen wurden. Die vergangene Dekade, wenn nicht sogar die ganze Zeitspanne seit dem Untergang der Sowjetunion, war im Bereich der politischen Ökonomie geprägt von einem Duktus des „kapitalistischen Realismus“. Der von Mark Fisher aufgegriffene Begriff (Gerhard Richter et al. verwendeten ihn in den 1960er-Jahren bereits) beschreibt die Alternativlosigkeit der globalen Wirtschaftspolitik, dessen Hauptmerkmal die konstante Effizienzsteigerung des Systems ist. Diese Effizienzsteigerung steht aber des Öfteren im Gegensatz zu demokratischen Idealen und ganz konkret im Gegensatz zu einem politischen Diskurs über das Wirtschaftssystem.

Ein Skandal wie die Wahl von „The Donald“ zwingt zur Reaktion und hat direkte Auswirkungen auf dieses System, indem er Normen de- oder rekonstruiert und materielle Effekte nach sich zieht. Nicht umsonst wird ein Skandal auch als „Kampf um Normen“ bezeichnet. Karl Otto Hondrich vertrat zum Beispiel die Annahme, dass eine wachsende Zahl von Skandalen als „Korrekturfunktion einer lernenden liberalen Gesellschaft“ betrachtet werden könnte. In diesem Sinne sollten wir als konstruktive Reaktion auf die Wahl Donald Trumps für selbstverständlich genommene Normen, Machtverhältnisse, Systeme und Werte hinterfragen. Nur in Konfrontation mit dem, was sie nicht wollen, können moderne Demokratien herausfinden, was (!) sie wollen.

Man munkelt, die US-Kultserie „Simpsons“ hätten den Wahlsieg Donald Trumps schon vor über einem Jahrzehnt vorausgesagt, doch auch deutsche Rap-Musiker wie der als „Sido“ bekannte Paul Fröhlich orakelten den Wahlerfolg populistischer Politiker – in einem Song mit dem plakativen Titel „Wahlkampf“ aus dem Jahr 2005. Wer Textzeilen wie „Wählt mich und ich mach Deutschland gesund und stark“ oder „Ich strukturier den Bundestag und ich schmeiß alle raus“ liest, der könnte fast vermuten, dass sich „president elect“ Trump beim Berliner Rapper inspirieren ließ. Der Musiker selbst nahm übrigens in einem Interview mit dem Internetmagazin „noisey“ das Volk selbst in die Pflicht, für Veränderungen gerade zu stehen: „Wenn wir in einer sogenannten Demokratie leben und wenn man es schaffen könnte, die Politiker unter Druck zu setzen, damit sie ein paar Sachen in der Welt verändern, dann wäre doch das ganz schön.“ – So ernst scheint der Berliner es mit einer eigenen politischen Karriere also nicht zu meinen.
Man munkelt, die US-Kultserie „Simpsons“ hätten den Wahlsieg Donald Trumps schon vor über einem Jahrzehnt vorausgesagt, doch auch deutsche Rap-Musiker wie der als „Sido“ bekannte Paul Fröhlich orakelten den Wahlerfolg populistischer Politiker – in einem Song mit dem plakativen Titel „Wahlkampf“ aus dem Jahr 2005. Wer Textzeilen wie „Wählt mich und ich mach Deutschland gesund und stark“ oder „Ich strukturier den Bundestag und ich schmeiß alle raus“ liest, der könnte fast vermuten, dass sich „president elect“ Trump beim Berliner Rapper inspirieren ließ. Der Musiker selbst nahm übrigens in einem Interview mit dem Internetmagazin „noisey“ das Volk selbst in die Pflicht, für Veränderungen gerade zu stehen: „Wenn wir in einer sogenannten Demokratie leben und wenn man es schaffen könnte, die Politiker unter Druck zu setzen, damit sie ein paar Sachen in der Welt verändern, dann wäre doch das ganz schön.“ – So ernst scheint der Berliner es mit einer eigenen politischen Karriere also nicht zu meinen.

So betrachtet, lässt sich der Fall Trump als Exempel radikaler Demokratie nach Chantal Mouffe und Jacques Ranciere beobachten: Mouffe fordert, dass Konflikte nicht die Form eines Antagonismus annehmen, was ein „Kampf zwischen Feinden“ bedeuten würde, sondern die eines Agonismus, einer  „Auseinandersetzung zwischen Kontrahenten“. Diese agonistische Auseinandersetzung auf Augenhöhe ist die Grundbedingung einer lebendigen Demokratie. Clintons stetige Konsenssuche führten – in Verbindung mit einer Abneigung gegen Konflikte – zu Apathie und Entfremdung großer Bevölkerungsteile von der politischen Partizipation. Trump hingegen ist eine Grenzfigur zwischen Antagonismus und Agonismus. Mit ausschließenden und rassistischen Äußerungen nimmt er Kontrahenten das legitime Recht, für ihre Position zu streiten. Die antagonistische Seite Trumps ist – systematisch betrachtet – die Folge eines ständigen Zuges zur Mitte, der einen lebhaften politischen Diskurs unterdrückte. So gesehen, befreit die Wahl Trumps von einer rein konsensorientierten Politik und birgt die Chance, einen agonistisch geführten Diskurs zu beleben. Die entstehenden Proteste, die einer politischen Meinung Ausdruck verleihen, die etablierten Parteien, aber auch außerparlamentarische Bewegungen werden sich nun fragen, welches Spektrum an Positionen möglich ist, und eigene Profile bilden, die sich von einer allein konsensorientierten Ausrichtung entfernen.

Auch Ranciere kritisiert die Postdemokratie (die er mit Konsensdemokratie gleichsetzt), in der die Erscheinung der Anteillosen nicht möglich ist, weil der Streithandel beziehungsweise Dissens verschwunden ist. Für Ranciere ist das Politische die Verschiebung der Grenze, die zwischen Teilhabenden und Nicht-Teilhabenden besteht. Die weißen Männer haben letztlich die Wahl entschieden. Anteillose, die plötzlich Anteil nahmen und dadurch die Grenze verrückten. Diese „Überraschung“ ist als politischer Akt zu bezeichnen. Trump und mit ihm seine Wähler haben sich der Grenze, welche ihnen durch ein Regime des Establishments gesetzt worden wäre, widersetzt. Gleichzeitig schließt Trump in seinem Wahlprogramm große Teile der Bevölkerung vom politischen Diskurs aus, zieht auch hier eine Grenze neu jedoch enger, indem er zum Beispiel 30 Millionen illegale Einwanderer abzuschieben droht. Die Reaktion genau dieser zukünftig Ausgeschlossenen beziehungsweise Anteillosen, die nun auf die Straße gehen und „not my President“ rufen, zeigt, dass sich diese Gruppen nicht ausschließen lassen. Diese erneute Verschiebung der Anteillosen – einerseits der weißen Männer sowie der nun Protestierenden – geben diesen Menschen wieder eine Identität, indem sie ihrer Nicht-Identität, ihrer Anteilslosigkeit bewusst wurden beziehungsweise werden und nun wieder am politischen Diskurs teilnehmen.

„Wirr ist das Volk“, titulieren Demonstranten am Rande einer Veranstaltung der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) in Mainz. „Trump hat uns gezeigt, wozu ausgegrenzte, wütende, enttäuschte, ängstliche und protestierende Menschen fähig sind“, urteilen die Studierenden des ZU-Seminars „Extremismus, Populismus, Radikalismus“. In Deutschland scheint eben die AfD zu einem Sprachrohr der protestierenden Massen zu werden. Immer erfolgreicher und dauerhafter beißt sich die erst 2013 gegründete Partei in den deutschen Landtagen fest, zog 2014 mit einem soliden Erstergebnis auch in das Europaparlament ein. Besonders den etablierten Parteien macht es die Alternative schwer: In Sachsen kommt die Partei, die Wissenschaftler als deutlich rechts der Unionsparteien einordnen, laut aktuellen Umfragen erstmals auf rekordverdächtige 25 Prozent. Damit würde sie alle bisherigen politischen Bündnisse im Land unmöglich machen – und so möglicherweise eine neue Ära für das deutsche Parteiensystem einläuten können. Höchste Zeit, auch in Deutschland den politischen Diskurs wieder zu beleben?
„Wirr ist das Volk“, titulieren Demonstranten am Rande einer Veranstaltung der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) in Mainz. „Trump hat uns gezeigt, wozu ausgegrenzte, wütende, enttäuschte, ängstliche und protestierende Menschen fähig sind“, urteilen die Studierenden des ZU-Seminars „Extremismus, Populismus, Radikalismus“. In Deutschland scheint eben die AfD zu einem Sprachrohr der protestierenden Massen zu werden. Immer erfolgreicher und dauerhafter beißt sich die erst 2013 gegründete Partei in den deutschen Landtagen fest, zog 2014 mit einem soliden Erstergebnis auch in das Europaparlament ein. Besonders den etablierten Parteien macht es die Alternative schwer: In Sachsen kommt die Partei, die Wissenschaftler als deutlich rechts der Unionsparteien einordnen, laut aktuellen Umfragen erstmals auf rekordverdächtige 25 Prozent. Damit würde sie alle bisherigen politischen Bündnisse im Land unmöglich machen – und so möglicherweise eine neue Ära für das deutsche Parteiensystem einläuten können. Höchste Zeit, auch in Deutschland den politischen Diskurs wieder zu beleben?

Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und es ist nicht alles schlecht, was Trump mit sich bringt. Trump hat uns gezeigt, wozu ausgegrenzte, wütende, enttäuschte, ängstliche und protestierende Menschen fähig sind. Wir sollten es der Staatsform der Demokratie danken, dass ein solcher Protest möglich ist – zugleich sollten wir mit Argwohn und hoher Aufmerksamkeit auf die Vergangenheit blicken und uns fragen, was zu verhindern gewesen wäre oder was anders gemacht hätte werden sollen. Demokratie lebt durch ein kontinuierliches Hinterfragen und ständige Transformation. Mit dem Emporkommen zweier Kandidaten wie Trump und Clinton sollte uns bewusst werden, dass ein konstruktiver, inklusiver und pluralistischer Diskurs über die systematische Transformation unserer Demokratien ins Stocken gekommen ist. Lasst uns diesen Diskurs wieder beleben. Aus diesem Grund möchten wir sagen: Thank God it’s Trump!

Titelbild: 

| Gage Skidmore / flickr.com (CC BY-SA 2.0)


Bilder im Text: 

IoSonoUnaFotoCamera / flickr.com (CC BY-SA 2.0)

| Aggro Berlin / Aggro Berlin (CC BY-SA 2.0)

| Franz Ferdinand Photography / flickr.com (CC BY-NC 2.0)


Beitrag (redaktionell unverändert; Autoren des Artikels in alphabetischer Reihenfolge): Marius Bessenbach, Aras Direkoglu, Marco Lotz, Max Röcker, Sophie Waitz, Olympia von Wimpffen, Ferdinand Wintermantel, Jakob Wirth, Patrick Wolf

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm 

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