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Julian Leitloff ist 22, als er und seine Freunde eine Idee haben: Schmuck aus dem 3D-Drucker – das wird ihr Business! Aber der Anfang ist hart und das Geld wird immer knapper. Muss er etwa zurück zu seinen Eltern ziehen? Dann der Befreiungsschlag: Investoren steigen groß ein. Das Start-up wächst und mit ihm die Probleme: Den besten Freund muss Leitloff feuern, Anwälte drohen. Doch dann geht es wieder bergauf! Forbes wählt ihn unter die besten »30 unter 30«. Mit einer großen Portion Selbstironie erzählt Julian Leitloff dem Journalisten Caspar Schlenk vom spannendsten Trip seines Lebens und erklärt, warum es sich lohnt an seine Träume zu glauben, auch wenn in real life daraus kein Einhorn wird.
ZU|Daily war ein früher Chronist meines ersten Start-ups: Unter dem Titel „Von der Idee zur Innovation“ beschrieb vor acht Jahren Yvonne von Hunnius, wie wir als Studierende der Zeppelin Universität unsere ersten Schritte machten hinein ins Unternehmertum mithilfe der Design Thinking Methode, die wir erstmals in einem Kurs bei Ellen Enkel, ehemalige Professorin für Innovationsmanagement, kennenlernten.
Aber nicht nur methodisch haben wir von der Uni profitiert; sie hat uns auch finanziell ausgestattet. Als erstes Investment des Start-up-Fonds „ZU Micro Equity“, der kurz vorher als erster deutscher Frühphasenfonds einer Universität gegründet wurde, erhielten wir 25.000 Euro. Viel Geld für uns, das viel mehr machte, als uns für die ersten Schritte als Gründer auszustatten. Vor allem eröffnete uns die Investition eine Welt, die uns vorher nicht zugänglich war: Gründung als Karriereweg zu erwägen schien für mich – trotz den Erfahrungen an der Uni – absurd und sogar ein wenig töricht. Man schlägt sich den Karriereweg Profifußballer oder Astronautin schließlich auch nach der Kindheit aus dem Kopf.
Das änderte sich schlagartig an und durch die Zeppelin Universität. Diese Erfahrung hat mich unter anderem veranlasst, mit dem Journalisten Caspar Schlenk ein Buch zu schreiben. „Keinhorn“ heißt es und ist erschienen im Campus Verlag. Keinhorn, das ist eine Anspielung an die wilden Geschichten, die wir von Gründung zu hören bekommen: Schillernde Personen wie Elon Musk, die innerhalb kürzester Zeit ihre Unternehmen zu einer Milliardenbewertung treiben. Einhörner nennt die Szene solche Unternehmen wegen ihrer Seltenheit.
Das Buch erzählt keine solche Geschichte, sondern die eines Start-ups, wie sie viel häufiger vorkommt. Eine Gründung, bei der es nicht immer nur steil nach oben geht. In diesem Fall ist es die Geschichte von meinem Start-up „Stilnest“, das ich zusammen mit Freunden als Student an der Zeppelin Universität gründete.
Das Buch ist keines dieser Ratgeberbücher, die in fünf knackigen Thesen erklärt, wie möglichst wenig Schlaf zum Erfolg führt. Das Buch erzählt stattdessen die Geschichte unserer Gründung nach: Von der ersten Idee bis zu meinem Ausscheiden aus dem Start-up nach knapp fünf Jahren – und darüber hinaus. Zwei Jahre trafen Caspar und ich uns mittwochmorgens und gingen die Erlebnisse durch. Woche für Woche widmeten wir uns jeweils einem Thema.
Ich berichtete ihm davon, wie mein späterer Mitgründer mich anrief und mir das erste Mal von der Idee erzählte. Wie wir unser erstes Büro bezogen. Wie wir kein Geld mehr hatten, uns von Dosenravioli ernährten und am Ende von einem Business Angel und Förderer der Uni mit einem Investment knapp der Pleite entkamen. Wie wir dreimal kurz vor dem Notartermin die Absage von Investoren bekamen. Dass es am Ende doch noch klappte mit der Finanzierung. Wie es sich anfühlt, nach einer langen Durststrecke innerhalb von drei Tagen mehr als 350.000 Euro Umsatz zu machen. Es erzählt von der Überforderung, in jungen Jahren Chef zu sein, und der Freude, selbst ein Unternehmen aufbauen zu dürfen. Das Buch erzählt meine Sicht auf eine ganz normale Gründung.
Das Buch haben wir auch deswegen geschrieben, weil wir eine große Diskrepanz zwischen Inszenierung und unternehmerischer Realität wahrgenommen haben. Diese Heroisierung von Gründern und das Narrativ des Durchziehens sorgen dafür, dass Gründertum weiterhin verklärt wird und damit als normaler Karriereweg ausfällt. Das verstärkt die bereits bestehenden sozio-ökonomischem Barrieren nochmals zusätzlich.
Das Buch soll Gründung normalisieren, sogar entzaubern. Wir wollen zeigen, wie Gründung in den Niederungen und den langen arbeitsreichen Tagen ist. Ich hätte mir vor der Gründung einen Realitätscheck gewünscht, damit ich gewusst hätte, was auf mich zukommt. Gleichzeitig habe ich mich gefragt, wie ich dieses Erlebnis des „Das kann ich auch!“, dass mir die Uni ermöglichte und damit das Unternehmertum erschloss, weitergeben könnte?
Meine Antwort darauf ist, ungeschminkt unsere Gründungsgeschichte zu erzählen. Viele, die das Buch lesen, werden es weglegen und sich fragen „Warum tut er sich das an?“, aber vielleicht wird es auch solche geben, die das Kribbeln spüren, etwas Eigenes ins Leben rufen zu können und sich denken „Wenn der das kann, dann kann ich es auch!“. Für diese Menschen haben wir das Buch geschrieben
Titelbild:
| Med Badr Chemmaoui / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link
Bild im Text:
| Leah Kunz (alle Rechte vorbehalten)