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Prof. Dr. Jarko Fidrmuc ist gebürtiger Slowake und absolvierte zunächst ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in seiner Heimatstadt Bratislava, bevor er 2000 an der Universität Wien promoviert wurde. In seiner Doktorarbeit befasste er sich mit der Integration Osteuropas in die Europäische Union. Im Jahr 2005 wurde er als Professor für Politische Ökonomie mit Schwerpunkt Osteuropa an die Volkswirtschaftliche Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München berufen. 2013 hat Fidrmuc an der Zeppelin Universität seine Arbeit als neuer Inhaber des ZEPPELIN-Lehrstuhls für Internationale Wirtschaftstheorie und -politik aufgenommen.
Der Zeitpunkt könnte nicht symbolischer sein. In der vergangenen Woche starb Michail Gorbatschow. Als der letzte Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und damit Anführer der Sowjetunion trug er entscheidend dazu bei, dass der Kalte Krieg Ende der 1980er Jahre beendet wurde. Dieser Traum einer friedlichen Welt ist leider bereits wieder ausgeträumt. Vor einem halben Jahr erwachten wir in einer Welt im Krieg, in einer Welt, in der unterschieden wird zwischen dem demokratischen Westen und dem autoritären Osten.
Das Aufbauen von Vertrauen zwischen den Supermächten dauerte Jahre, dessen Zerstörung durch die russische Führung nur wenige Stunden beziehungsweise Tage brauchte. Wir können uns also fragen, was Gorbatschow der Welt wirklich brachte. Auch wenn wir heute vor dem Scherbenhaufen dessen stehen, was eine friedliche Weltordnung sein sollte, handelt es sich um einen großartigen Beitrag, der Hoffnung für die Zukunft schafft.
Michail Gorbatschow übernahm die Führung der Sowjetunion in einer schwierigen Zeit. Fast ein halbes Jahrhundert der kommunistischen Misswirtschaft und Unterdrückung führte zuerst zu einer Stagnation und dann zu deutlichen Rückgängen in allen Wirtschaftsbereichen. Das spiegelte sich letztlich in der steigenden Unzufriedenheit und in zunehmenden, nicht mehr zu stoppenden Protesten gegen die Sowjetmacht vor allem in den anderen Ländern im Ostblock wider. Gorbatschow hätte darauf mit militärischer Gewalt reagieren können, um die Kontrolle im In- sowie in seiner Einflusszone im Ausland zu behalten. Ganz genauso, wie es Putin seit 2014 unter Missachtung aller moralischen und rechtlichen Grundsätze tut. Michail Gorbatschow aber entschied sich anders und suchte einen alternativen, bahnbrechenden Weg. Er ist damit nicht nur über seinen eigenen Schatten, sondern darüber hinaus auch über den mächtigen Schatten der bisherigen Sowjetunion gesprungen.
Für die Länder in Osteuropa öffneten sich damit Wege in die Prosperität und in den Wohlstand. Es waren zahlreiche und tiefe wirtschaftspolitische Fehler seiner Nachfolger – etwa die Ausbreitung der Korruption und der Aufstieg der Oligarchen –, die dazu führten, dass Russland vom Ende des Kalten Krieges weniger profitiert und sich nach drei Jahrzehnten wieder in einer Periode der Stagnation befindet.
Zum Nachlass Gorbatschows gehört auch sein angebliches Zitat, dass das Leben jene bestraft, die zu spät kommen. Rückblickend können wir erkennen, dass Michail Gorbatschow mit seinen Reformen der Sowjetunion zu spät kam. Er hat trotzdem mit seiner Politik Geschichte geschrieben und ist zum Vorbild für zukünftige Politiker in ähnlich schwierigen Situationen geworden. Hoffentlich werden viele aus seinem Leben die richtigen Lehren ziehen.
Titelbild:
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Bild im Text:
| Bob Galbraith (Public Domain) | Link
Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Jarko Fidrmuc
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm