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Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt. Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
Jakob Hebart ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik an der Zeppelin Universität. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Verkehrspolitik in Deutschland, insbesondere der Regulierung von Ride-Sharing-Diensten als öffentliche Mobilitätsangebote. Er lehrt in den Seminaren „Einführung in die Volkswirtschaftslehre“ und „Umwelt- und Klimaökonomie“, ist Vertreter der Doktorandinnen und Doktoranden der Zeppelin Universität und stellvertretendes Mitglied des akademischen Senats.
Das Thema Nachhaltigkeit betrifft Universitäten in verschiedener Weise. Sie können einerseits diese Themen in Forschung und Lehre aufgreifen und als Multiplikatoren wirken, sind aber andererseits selbst für Emissionen verantwortlich. Die Universität als Raum der Ideen ist der richtige Ort, um sich mit diesen Themen zu beschäftigen und sie gleichzeitig auf die praktische Handlungsebene herunterzubrechen. Die Arbeitsgruppe „Nachhaltige ZU“ koordiniert die Nachhaltigkeitsprojekte an der Zeppelin Universität und stößt eigene Projekte an. Seit November 2017 existiert zusätzlich das studentische Zukunftsbüro der Zeppelin Universität. Verschaffen Sie sich hier einen Überblick zu allen Informationen des Zukunftsbüros, des Arbeitskreises und Forschungsprojekten mit Nachhaltigkeitsbezug:
Im November 2021 veröffentlichte die ZU ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht, der durch die interfunktionale Arbeitsgruppe „Nachhaltige ZU“ aufgesetzt und von der Geschäftsführung der ZU beschlossen wurde. Unter dem Titel „Auf dem Weg zur klimaneutralen Universität“ identifiziert der Bericht im Rahmen einer Klimabilanz erstmals die Emissionsquellen der Universität. Die Bilanz umfasst Daten zu den direkten Treibhausgasemissionen der ZU bis 2019 und beziffert diese im letzten Jahr der Erfassung auf circa 560 Tonnen CO2 in den Sektoren „Gebäude“ (ZF Campus der ZU und SeeCampus/Semi & Kolon) und „Verkehr“ (Flugreisen und Fuhrpark). Für die Jahre 2020 und 2021, die maßgeblich durch Einschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie geprägt waren, benennt der Bericht „erhebliche Abweichungen zum Normalbetrieb“ durch Distant Learning und Telearbeit. Die Daten dieser beiden Jahre sind in der Bilanz jedoch nicht enthalten. Wie stark die direkt zurechenbaren CO2-Emissionen in diesen beiden Jahren tatsächlich von den Emissionen des Jahres 2019 abweichen, wird der nachfolgende Nachhaltigkeitsbericht zeigen. Abbildung 1, die dem Bericht entnommen wurde, veranschaulicht die Zusammensetzung.
Die Aufstellung der Klimabilanz ist positiv zu bewerten, da sie erstmals ein Verständnis für die CO2-Emissionen des universitären Forschungs- und Lehrbetriebes schafft. Durch weitere Verbesserung können Lücken in der Erfassung (etwa im Bereich Mensa und Catering) in Zukunft geschlossen werden. Problematisch erscheint, dass die CO2-Emissionen der Mitarbeitenden und Studierenden auf den Wegen zur Arbeit beziehungsweise zum Studienstandort in der Übersicht fehlen. Diese machen an anderen Universitäten bis zu 45 Prozent der Gesamtemissionen aus, wie die Energiebilanz der Leuphana Universität Lüneburg zeigt. Eine Berücksichtigung dieser durch den Betrieb der Universität veranlassten verkehrlichen Emissionen würde die Höhe und die Relationen der Klimabilanz spürbar verändern.
Trotz der Verbesserungspotenziale diente die Bilanz bereits als Entscheidungsgrundlage für die Umsetzung erster klimapolitisch motivierter Maßnahmen. Diese umfassen eine Anpassung der Reisekostenrichtlinie für Dienstreisen sowie mehrere Einzelmaßnahmen mit dem Ziel, den Strombedarf zu reduzieren. Die Umstellung des Betriebsstroms auf einen Ökostrom-Tarif, die bereits vor der Erstellung der Klimabilanz beschlossen und umgesetzt wurde, ist ebenfalls Teil der Analyse. Fraglich ist, ob diese Initiativen im Kontext des bestehenden Ordnungsrahmens aus klimaökonomischer Perspektive geeignet sind und wie eine alternative Klimapolitik auf Mikroebene gestaltet sein könnte. Der vorliegende Beitrag erörtert diese Fragen, mit dem Ziel, den Diskurs zu klimapolitischen Handlungsoptionen an der Zeppelin Universität zu verbreitern.
Dabei sind zuerst die klimaökonomischen Bewertungskriterien festzulegen, an denen sich die Maßnahmen messen lassen müssen. Diese umfassen die ökonomische Effizienz der Maßnahmen (Reduktion zu möglichst niedrigen Grenzkosten), deren ökologische Effektivität (Treffsicherheit) sowie ihre soziale Akzeptanz. Die dynamische Effizienz, also die Anreizwirkung zur Entwicklung neuer Verfahren ist auf Mikroebene weniger relevant und wird daher nicht weiter beleuchtet. Zudem ist zu beachten, dass die Zeppelin Universität als stiftungsfinanzierte gemeinnützige Organisation einer engen Budgetrestriktion unterliegt. Ausgaben für klimapolitische Initiativen stehen entsprechend nicht mehr für alternative Handlungsoptionen zur Verfügung. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass auch ordnungsrechtliche Maßnahmen Folgekosten induzieren – insbesondere erhöhte Transaktionskosten der Alternativen sowie Kosten für die Durchsetzung und Kontrolle der Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund werden die bisherigen Initiativen im Folgenden diskutiert.
Zuerst wird auf das in der neuen Richtlinie für Dienstreisen der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer der Zeppelin Universität formulierte Verbot von Kurzstreckenflügen innerhalb eines festgelegten Gebiets eingegangen. Wie im Kapitel „Mobilität und Dienstreisen“ des Nachhaltigkeitsberichtes dargestellt, erfolgte diese Beschränkung vor dem Hintergrund der ökologischen Intensität von Kurzstreckenflügen. Diese Argumentation ignoriert jedoch die klimapolitische Gesetzgebung in der Europäischen Union. So ist der innereuropäische Flugverkehr bereits seit 2012 Teil des Europäischen Emissionshandelssystems „EU-EHS“, dem wichtigsten Instrument der europäischen Klimapolitik. Dieses begrenzt wirksam die Emissionen in den von ihm abgedeckten Sektoren und setzt indirekt einen Preis für die CO2-Emissionen des Luftverkehrs. Da eine ausführliche Darstellung der Zusammenhänge des EU-EHS den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde, wird im Folgenden lediglich dessen grundsätzliche Funktionsweise erläutert. Detaillierte Ausführungen finden sich unter anderem in einem ZU|Ruf der Alumna Lisa Erich.
Die theoretischen Grundlagen des EU-EHS wurden bereits in den 1960er Jahren durch die Ökonomen Coase und Crocker gelegt; das Europäische Emissionshandelssystem selbst wurde hingegen erst im Jahre 2005 eingeführt. Es verpflichtet die Unternehmen der erfassten Sektoren, je emittierter Tonne CO2 ein Emissionszertifikat nachzuweisen oder alternativ den Ausstoß zu vermeiden. Im Rahmen des „Cap-and-Trade“-Systems können Unternehmen, die über überschüssige Zertifikate verfügen, diese an weiterhin emittierende Unternehmen verkaufen. Das Angebot an Zertifikaten ist limitiert und wird regelmäßig um einen linearen Reduktionsfaktor (circa 2 Prozent pro Jahr) abgesenkt, sodass die Emissionen langfristig sinken. Da alle CO2-Emissionen innerhalb des Systems identisch behandelt werden, erfolgen Reduktionen zuerst durch die Unternehmen mit den niedrigsten Grenzvermeidungskosten, respektive „wo es am günstigsten ist“.
Im Jahre 2019 schätzten Ökonomen des International Monetary Fund (IMF) auf Basis aktueller Publikationen von Nicholas Stern, Joseph E. Stiglitz und William D. Nordhaus, dass Zertifikatspreise zwischen 50 und 100 US-Dollar im Jahr 2030 mit dem Zwei-Grad-Ziel vereinbar wären – das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) rechnet damit, dass ein Preis von circa 60 Euro/Tonne CO2 notwendig ist, um den Kohleausstieg bereits bis 2030 zu vollenden; aktuell – im August 2022 – liegt der Preis für eine Tonne CO2 bei circa 80 Euro.
Verfügen Unternehmen – wie im Falle des hier besprochenen Verbots von Kurzstreckenflügen – nun organisationale Beschränkungen, reduziert dies die Nachfrage nach innereuropäischen Flügen. Folglich müssen die betroffenen Fluggesellschaften weniger Zertifikate aus dem EU-EHS erwerben, um ihre Emissionen zu kompensieren. Aufgrund der niedrigeren Nachfrage bei konstantem Angebot sinkt der Preis der Emissionszertifikate. Zu diesem niedrigeren Preis werden emissionsintensive Prozesse in anderen Branchen des EU-EHS wieder wirtschaftlich, sodass die Emissionen hier ansteigen und sich ein neues Marktgleichgewicht einpendelt. Die durch die Überarbeitung der Reisekostenrichtlinie indizierte Nachfrageminderung führt somit nicht wie angestrebt zu einer Reduktion der CO2-Emissionen, sondern lediglich zu einer Verschiebung der Emissionen innerhalb des Systems. Hinsichtlich der Beurteilungskriterien ist die Maßnahme daher sowohl durch fehlende ökonomische Effizienz als auch durch ausbleibende ökologische Effektivität gekennzeichnet.
Ob der (bisher) geringe intraorganisationale Widerspruch gegen die Maßnahme als soziale Akzeptanz verstanden werden kann, ist fraglich. Wahrscheinlicher scheint ein fehlendes Verständnis der zugrundeliegenden klimaökonomischen Zusammenhänge oder eine bisher ausgebliebene Durchsetzung der Maßnahme. Neben den nicht vorhandenen Effekten für das Klima ist auf die höheren Transaktionskosten alternativer Reiseformen hinzuweisen – insbesondere in Form längerer Reisezeiten. Eine aktuelle Studie von Alexander Eisenkopf und Christian Burgdorf zeigt zudem, dass ein Verbot innerdeutscher Flugreisen sogar zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen des Personenfernverkehrs führen kann. Zusammenfassend reduziert die Maßnahme eventuell der Zeppelin Universität direkt zurechenbare Emissionen, für den Schutz des Klimas ist sie hingegen nutzlos und daher klimaökonomisch ungeeignet.
Auch bei der zweiten Maßnahme, der Umstellung des Betriebsstroms auf einen Ökostrom-Tarif, bedarf es einer genaueren Untersuchung. Als commodity unterscheidet sich Strom aus erneuerbaren Energiequellen (EE) nicht von grauem fossilem Strom und wird entsprechend über dasselbe Netz bezogen. Aus Gründen der Netzstabilität und fehlender innerdeutscher Stromtrassen beziehen Netzanschlüsse den Strom immer vom nächstgelegenen Kraftwerk – unabhängig vom Stromtarif. Im Falle des ZF Campus der ZU ist aufgrund der geringen Distanz direkt nebenan davon auszugehen, dass ein Großteil des bezogenen Stroms durch das mit Erdgas betriebene „Blockheizkraftwerk (BHKW) Fallenbrunnen“ der Stadtwerke am See geliefert wird.
Angesichts des sehr hohen Anteils (91,7 Prozent) konventioneller Energieträger am Energiemix der Stadt Friedrichshafen, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch in Zeiten, in denen das BHKW nicht als Lieferant dient – etwa, wenn das BHKW aufgrund der hohen Gaspreise im Sommer, wenn wenig Wärmeenergie benötigt wird, aus Kostengründen keine Grundlast liefert, sondern lediglich Energiespitzen abfedert –, der von der ZU bezogene Strom nahezu vollständig aus fossilen Energiequellen stammt. Wenngleich die Belege für den SeeCampus nicht ganz so eindeutig sind, kann aufgrund dieses Energiemix auch hier faktisch eine primär fossile Stromversorgung angenommen werden.
Diese Logik bleibt auch durch die Umstellung auf einen Ökostrom-Tarif erhalten. Die Tarife verpflichten die beliefernden Energieunternehmen nicht, physisch Strom aus nachhaltigen Energiequellen zu liefern. Dies wäre lediglich durch einen direkten Anschluss des EE-Kraftwerks an den Hausanschluss der Zeppelin Universität möglich. Stattdessen müssen sie über sogenannte Herkunftsnachweise die Herkunft des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen sicherstellen.
In Deutschland werden diese durch das Umweltbundesamt ausgestellt. Ausgenommen sind Anlagen, die bereits über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wurden, da die Energieunternehmen sonst doppelt profitieren würden. Aufgrund der primären Ausrichtung der deutschen Förderkulisse für regenerative Energien auf das EEG (Marktprämie oder Einspeisevergütung nach § 19 EEG) sind jedoch nationale Herkunftsnachweise kaum verfügbar. Sie müssen entsprechend aus dem Ausland bezogen werden. Der grüne Strom hinter diesen Herkunftsnachweisen wäre jedoch in den meisten Fällen sowieso erzeugt worden, etwa aus Wasserkraftwerken in Österreich. Aus diesem Grund liegt im Markt für Herkunftsnachweise ein deutlicher Angebotsübergang vor, mit der Folge, dass der Preis je Nachweis lediglich einen Bruchteil eines Eurocents beträgt. Diese niedrigen Mehrkosten machen es möglich, dass Ökostrom-Tarife meist kaum teurer sind als normale Tarife. Das Regime der Herkunftsnachweise führt daher nicht – wie fälschlicherweise angenommen werden könnte – zu einem Zubau an erneuerbaren Energieanlagen, weder im Inland noch im Ausland.
Ähnlich wie bei der ersten Maßnahme ist ein solcher Tarif daher durch fehlende ökonomische Effizienz und ausbleibende ökologische Effektivität gekennzeichnet. Die soziale Akzeptanz der Maßnahme ist aufgrund ihrer rein symbolischen Wirkung positiv zu bewerten, da sie keine Stakeholder benachteiligt und die niedrigen zusätzlichen Kosten keine alternativen Investitionen blockieren. Zur Verhinderung des menschengemachten Klimawandels trägt sie hingegen nicht bei.
Zuletzt werden die geplanten und bereits umgesetzten Einzelmaßnahmen diskutiert. Im Kontext des vorherigen Absatzes wird dabei zuerst auf den geplanten Aufbau einer Photovoltaikanlage auf der den Alpen zugewandten Südseite des Daches am ZF Campus der ZU eingegangen. Diese Maßnahme ist aufgrund der sowieso anstehenden Dachsanierung und dem Zusammenfallen des Lastprofils der Zeppelin Universität und der potenziellen Stromerzeugungskapazität der PV-Anlage sinnvoll. Infolge der kurz- und mittelfristig geringen Verfügbarkeit erneuerbarer Energieträger in der Stadt Friedrichshafen stellt eine eigene PV-Anlage die einzige Möglichkeit dar, einen Teil des Strombedarfs sicher aus grünen Energiequellen zu decken. Für die Reduktion des Ausstoßes an CO2-Emissionen ist diese Maßnahme aufgrund der zuvor beschriebenen Zusammenhänge des EU-EHS, das auch den europäische Strom- und Wärmemarkt umfasst, jedoch unbedeutend.
Dies gilt auch im Hinblick auf die weiteren Einzelmaßnahmen zum Energiesparen – insbesondere den Austausch von Leuchtmitteln und die abschaltbaren Steckerleisten: Zur Bekämpfung des Klimawandels trägt der reduzierte Energieverbrauch ohne eine Reduktion der verfügbaren EU-EHS Zertifikate nicht bei. Analog zu den erfassten Kurzstreckenflügen führt ein reduzierter Strombedarf zu einer geringeren Zertifikatsnachfrage, sinkenden Zertifikatspreisen und einer Verlagerung der Emissionen in andere Sektoren. Darüber hinaus ist bei Einzelmaßnahmen auf die hohen Transaktionskosten – insbesondere in Form ZU-interner Arbeitszeit – sowie auf die unnötige Beeinträchtigung des Budgets hinzuweisen. Das Beispiel der Leuphana Universität Lüneburg verdeutlicht die enorm hohen Transaktionskosten, die über einen Zeitraum von 20 Jahren notwendig waren, um bilanzielle Klimaneutralität zu erreichen.
Gleichzeitig ist anzumerken, dass Energiesparen vor dem Hintergrund aktuell stark gestiegener Strompreise aus betriebswirtschaftlicher Perspektive selbstverständlich eine begründete und zielführende Maßnahme darstellt. Weiterhin kann es sinnvoll sein, auf energiesparende Alternativen zurückzugreifen, wenn Leuchtmittel oder Steckerleisten aufgrund eines Defektes oder aus Kostengründen ausgetauscht werden müssen. Ebenfalls erstrebenswert kann ein reduzierter Strombedarf im Kontext des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sein, für dessen Erzeugung sonst teilweise Gasturbinenkraftwerke genutzt werden müssen. Für den Klimaschutz sind diese Maßnahmen jedoch mindestens ungeeignet, teilweise sogar kontraproduktiv, wenn sie alternative Maßnahmen mit größerem Impact verhindern. Klimaökonomisch sind sie weder kosteneffizient noch ökologisch treffsicher, solange nicht die Politik den Cap des EU-EHS begleitend absenkt. Ansonsten begrenzt allein das Emissionshandelssystem die Emissionen des Energiesektors wirksam. Die soziale Akzeptanz ist aufgrund der geringen Beeinträchtigung nur bedingt aussagekräftigt.
Die Analyse der an der Zeppelin Universität implementierten Maßnahmen zur Erreichung organisationaler Klimaneutralität zeigt, dass diese im gegebenen institutionellen Rahmen der europäischen Klimapolitik wirkungslos und ineffizient sind. Mit ihrem Vorgehen befindet sich die Zeppelin Universität aber nicht nur in guter Gesellschaft vieler anderer Unternehmen, sondern auch der bundesdeutschen Klimapolitik. Kosteneffizienz und ökologische Effektivität scheinen (zumindest bisher) politisch keine Rolle gespielt zu haben. Auch große Teile der Bevölkerung und der medialen Öffentlichkeit zeigen bislang kein Interesse an einer marktwirtschaftlichen Ausrichtung der Klimapolitik. In der Folge hat die Bundesrepublik Deutschland – trotz dreistelliger Milliardenbeträge, die in den vergangenen Jahren für den Klimaschutz ausgegeben wurden – ihre selbstgesetzten jährlichen Klimaziele immer wieder verfehlt, wie unter anderem der Bundesrechnungshof jüngst feststellte.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie ein alternativer Ansatz für mehr Klimaschutz an der Zeppelin Universität gestaltet sein könnte, der zugleich wirksam, effizient und sozial akzeptabel ist. Es reicht schließlich nicht aus, Klimaschutz zu wollen, aber Maßnahmen mit allein symbolischer Wirkung zu ergreifen. Vielmehr sollten sich die Handlungen einer Universität, die das Thema Nachhaltigkeit zu einem ihrer Kernthemen erklärt hat, am wissenschaftlichen Erkenntnisstand und dem gegebenen Ordnungsrahmen orientieren.
In dieser Hinsicht stellt insbesondere das bereits erwähnte Emissionshandelssystem der Europäischen Union ein ökonomisch sinnvolles Instrument dar, um CO2-Emissionen effizient und effektiv zu reduzieren. In Unkenntnis der Sachzusammenhänge wurde es in der Vergangenheit populistisch als wirkungslos verteufelt, da der Preis der Zertifikate angeblich zu niedrig gewesen sei. Stattdessen werden Einsparungen auf individueller, gruppenbezogener oder lokaler Ebene angemahnt. Forderungen nach klimaneutralen Unternehmen, Gemeinden oder Städten und entsprechende Vorschriften und Subventionen sind aber klimapolitischer Unfug, wenn sie vom Emissionshandel abgedeckte Aktivitäten betreffen.
An erster Stelle sollten daher die oben beschriebenen Maßnahmen aufgrund ihrer mangelnden Wirksamkeit ausgesetzt beziehungsweise allein an betriebswirtschaftliche Kriterien gekoppelt werden. Um ihre THG-Emissionen tatsächlich zu reduzieren, sollte die Zeppelin Universität stattdessen Emissionszertifikate im Umfang der eigenen Emissionen aus dem EU-EHS aufkaufen und diese stilllegen. Diese Emissionen finden dann tatsächlich nicht statt! Zusätzlich steigern die nicht mehr zur Verfügung stehenden Emissionsrechte den Preis der Zertifikate im EU-EHS, wodurch bestimmte fossile Produktionsprozesse, die nicht mehr betriebswirtschaftlich zu betreiben sind, abgestellt werden müssen. Auch deren Emissionen bleiben folglich aus. Wichtig ist, dass es sich dabei nicht um eine Kompensation der entstehenden Emissionen (etwa durch Baumpflanzungen), sondern um eine zwingende Reduktion innerhalb des Systems handelt. Der populäre Vorwurf eines „modernen Ablasshandels“ ist daher in diesem Kontext nicht gültig.
Abgewickelt wird der Handel mit Zertifikaten über die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig, an der jedoch nur Unternehmen, die mit Energie- und energienahen Produkten handeln, zugelassen sind. Um den Zugang zu liberalisieren, haben sich in den vergangenen Jahren mehrere Anbieter entwickelt, die auch unbeteiligten Dritten den Handel ermöglichen. Bewertet man diese Maßnahme entlang der dargestellten Linien, ist diese von hoher ökonomischer Effizienz geprägt, da Emissionen innerhalb des Systems an den kostengünstigsten Stellen vermieden werden. Gleichzeitig ist sie hochgradig effektiv, denn der Ausstoß klimaverändernder Treibhausgase wird zwingend reduziert. Hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz ist die Maßnahme sicher erklärungsbedürftig, gleichzeitig ist die Unterstützung abhängig von der Art der Finanzierung der dafür anfallenden Kosten, auf die wir zuletzt eingehen möchten.
Wie bereits beschrieben, weist der Nachhaltigkeitsbericht der Zeppelin Universität für das letzte erfasste Jahr 2019 Emissionen in Höhe von 560 Tonnen CO2 aus. Bei einem aktuellen Preis von circa 100 Euro pro Zertifikat (EU-EHS Preis + Verwaltungskosten) würden sich die die Kosten der Stilllegung auf circa 56.000 Euro pro Jahr belaufen. Für deren Finanzierung kommen mehrere Möglichkeiten infrage. Als erstes sticht sicherlich eine freiwillige oder verpflichtende Umlage über die Studiengebühren ins Auge. Bei aktuell circa 850 Studierenden entspricht das einer Erhöhung der Gebühren um circa 65 Euro pro Jahr. Auch eine Finanzierung über den Haushalt der Zeppelin Universität könnte in Betracht gezogen werden, etwa indem das Budget der Mitarbeitenden bei betrieblich veranlassten Reisen mit den Kosten belastet wird.
Als aufkommensneutrale Alternative schlagen wir hingegen die Einführung einer Bepreisung des Parkraums am ZF Campus der ZU vor. Die Knappheit der verfügbaren Stellplätze, hohe Bau- und Instandhaltungskosten und eine ausreichende Erschließung über alternative Verkehrsmittel würden eine Einführung rechtfertigen. Zudem sprechen optionale Verwendungsmöglichkeiten der Fläche innerhalb des zu entwickelnden Stadtquartiers Fallenbrunnen gegen eine weitere kostenlose Bereitstellung. Unter der konservativen Annahme von circa 100 Fahrzeuge pro Tag, halb- oder ganztägigen Tarifen zu 1 Euro beziehungsweise 2 Euro und einer Erhebung an circa 250 Tagen im Jahr könnten bereits zwei Drittel der notwendigen Erträge eingenommen werden. Ökonomisch ist die Bepreisung auch deswegen vorteilhaft, weil Studierende und Mitarbeitende ihre Grenzzahlungsbereitschaft für einen Parkplatz in die Pendelentscheidung mit einfließen lassen würden. Damit erzielt das Parkraummanagement zusätzlich eine Lenkungsfunktion. Die für die Einrichtung des Bepreisungsregimes anfallenden Transaktionskosten (Verhandlungen mit der Stadt Friedrichshafen; Infrastruktur; Kontrolle) würden in diesem Fall eine sinnvolle Investition darstellen.
Der vorliegende Beitrag zeigt, dass die Klimapolitik der Zeppelin Universität deutlich nachgebessert werden muss, wenn sie einen Beitrag zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels leisten möchte. Die Diskussion der bestehenden Maßnahmen und das Aufzeigen einer klimaökonomisch sinnvolleren Alternative sind als Beitrag zur Diskussionskultur an der Universität gedacht und sollen den Impact der Initiativen verbessern. Studierende, die sich für die Themen des Beitrages interessieren, haben im Herbstsemester 2022 die Möglichkeit den Kurs „Umwelt- und Klimaökonomie“ zu wählen, der von den Autoren angeboten wird.
Titelbild:
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Bilder im Text:
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| Florian Gehm / Zeppelin Universität (alle Rechte vorbehalten)
Beitrag (redaktionell unverändert):
| Prof. Dr. Alexander Eisenkopf und Jakob Hebart
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm