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Sarah Glück ist akademische Mitarbeiterin der EnergyCultures Nachwuchsforschungsgruppe. Die Gruppe beschäftigt sich mit drei zentralen Forschungsthemen: der wechselseitigen Verknüpfung von Energie mit gesellschaftlicher Ordnung und Kultur (= Energiekulturen), der Suche nach nachhaltigeren Energiekulturen und der Frage, wie ein solcher kultureller Wandel beeinflusst werden kann.
Wie ist der Status der Energiewende am Bodensee? An welchen Stellen wurden bereits Fortschritte gemacht? Wo liegen noch die Problembereiche?
Sarah Glück: Zunächst gehe ich davon aus, dass es rund um den Bodensee nicht nur eine, sondern mehrere Energiewenden gibt. Die einzelnen Länder und ihre Regionen unterscheiden sich in ihren Energiezielen und -strategien, diese wiederum fußen auf der jeweils eigenen tradierten Produktion, Verteilung und Nutzung von Energie. Eine Landwirtin, eine Angestellte eines Automobilzulieferers oder eine Mitarbeiterin aus der Tourismusbranche würden auf Fragen zur Energiewende sicherlich sehr unterschiedlich antworten. Und genau darin liegt die Herausforderung: Die Energiewende immer wieder durch eine andere Brille zu sehen und dadurch soziale, kulturelle, ökonomische und technologische Problembereiche sichtbar zu machen.
Welche Ziele werden mit der Summer School verfolgt?
Glück: Die Summer School möchte genau diesen Perspektivwechsel ermöglichen. Ziel ist es, einen kontinuierlichen Dialog in der Bodenseeregion zu fördern, der nicht nur eine Perspektive im Blick hat, sondern der versucht, so viele Perspektiven wie möglich zu vernetzen: In der Summer School treffen deshalb ganz bewusst Politiker auf Studierende, Unternehmer auf Sozialarbeiter oder Ingenieure auf Aktivisten. In einer wertschätzenden Atmosphäre und einem offenen Lernraum werden Standpunkte ausgetauscht, reflektiert und neu zusammengesetzt: Es geht um Inklusion auf Augenhöhe – und manchmal müssen dafür auch gesellschaftliche Machtverhältnisse hinterfragt werden.
Wer hat daran teilgenommen?
Glück: In ihrer Pilotausführung gab es vier verschiedene Gruppen von Teilnehmenden, die in sich wiederum sehr heterogen aufgestellt waren. Das waren zum einen die Fallgeber, Energiewendegestalter per Beruf, Klimaschutzmanager, Unternehmer, Verwaltungsangestellte von Ministerien, aber auch engagierte Studierende, die eine konkrete Problemstellung eingebracht haben. Diese wurden dann von einer zweiten Gruppe von Teilnehmenden über eine Woche hinweg bearbeitet – in inter- und transdisziplinären Teams aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. Dabei erhielten sie Unterstützung von einer dritten Gruppe, nämlich von engagierten Praktikern aus einem professionellen Umfeld, die ihre Sichtweise auf das Problem einbrachten. Bei unserem abschließenden Netzwerkevent „Bitte wenden!“ kamen dann zivilgesellschaftliche Organisationen, Lehrer, Stiftungen und viele mehr als vierte Gruppe hinzu.
Inwiefern können solche Formate dazu beitragen, wissenschaftliche Erkenntnis in praktisches Handeln zu übertragen?
Glück: Die eingebrachten Fälle sind konkrete Problemstellungen aus der Praxis, die von einer interdisziplinären Betrachtung profitieren. Aber der Informationsfluss geht genauso in die andere Richtung: So entstehen durch den engen Austausch auch neue wissenschaftliche Fragestellungen. Ein Grundverständnis der Summer School und ihrem transdisziplinären Ansatz ist, dass es neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch andere Wissens- und Erfahrungsformen braucht, um Probleme zu definieren und Lösungen zu erarbeiten.
Wie kann man sich die konkrete Arbeit vorstellen?
Glück: Zum Beispiel brachte der Fall im Bereich Energieverantwortung und Integration folgende Frage ein: „Wie können durch Technik, Information und Sensibilisierung einerseits der Energie- und Wasserverbrauch für die Kommunen reduziert und andererseits geflüchtete Menschen für den Umzug in eine eigene Wohnung vorbereitet werden?“ Während der Summer School arbeiteten ein BWL-Student, ein Kommunikationsdesigner, eine Umwelt- und Ingenieurswissenschaftlerin und ein Sozialwissenschaftler an Antworten auf diese Frage – einer der Teilnehmenden hatte sogar einen Hintergrund als Geflüchteter. In einem Fallbuch hat die Gruppe die Ergebnisse und mögliche nächste Schritte festgehalten, womit nun die Klimaschutz- und Energiemanager verschiedener Kreise, Städte und Kommunen in ihrem Alltag arbeiten können.
Gibt es bereits Pläne für die Zukunft?
Glück: Nachdem die erste „Energie.Wende.Punkt. Summer School“ an der Zeppelin Universität ein voller Erfolg war, schauen wir motiviert in die Zukunft. Nach einer sich nun anschließenden Evaluation werden wir, das heißt die HTWG Konstanz, die FH Vorarlberg und die Nachwuchsforschungsgruppe „EnergyCultures“ das Lehr- und Lernkonzept fertigstellen. Ziel ist es, dass die Summer School jedes Jahr in ähnlichem Format an wechselnden Hochschulen rund um den Bodensee stattfindet. Es gibt schon einige Interessenten, die gerne nächstes Jahr als Teilnehmende oder Fallgeber teilnehmen möchten. Darüber hinaus haben sich wissenschaftliche, aber auch Wissenschaft-Praxis-Kooperationen gebildet, die wir jetzt weiterverfolgen wollen.
Titelbild:
| Delano Balten / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link
Bilder im Text:
| Sebastian Paul / Zeppelin Universität (alle Rechte vorbehalten)
| Menschenfotografin Lena Rainer (alle Rechte vorbehalten)
Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Markus Rhomberg | Geschäftsführer der Internationalen Bodensee-Hochschule
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm