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Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt.
Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
Die Deutsche Bahn traut sich was: Jeder vierte Fernzug ist verspätet, trotzdem sollen die Preise steigen. Ein berechtigter Schachzug?
Prof. Dr. Alexander Eisenkopf: Ich habe Zweifel daran, ob man hier von einem „Schachzug“ sprechen sollte. Da der Preisdruck durch den Hauptwettbewerber Fernbus nachgelassen hat und auch das Autofahren wieder teurer geworden ist, kann die Bahn sich einfach wieder preispolitische Spielräume erschließen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das nach den Nullrunden und sehr maßvollen Preiserhöhungen der vergangenen Jahre absolut stimmig. Leider wird daraus ein Politikum, da die Bahn immer noch ein 100-prozentiges Staatsunternehmen ist und Wettbewerb im Schienenfernverkehr fast nicht vorkommt.
Ein großes Thema für Bahnkunden ist die Pünktlichkeit – die soll nun endlich besser werden. Was steckt hinter der Idee eines Taktfahrplans, der für pünktlichere Fernzüge sorgen soll?
Eisenkopf: Die Idee eines Taktfahrplans für Deutschland ist zunächst einmal eine Idee und wird auf Jahre eine Idee bleiben. Mit dieser Schimäre soll derzeit vor allem von den hausgemachten Pünktlichkeitsproblemen abgelenkt werden. Bei einem deutschlandweit integrierten Taktfahrplan gilt, dass in einem Bahnhof die Züge jeweils zu festen Zeiten ankommen und abfahren, so dass der Reisende sich nicht um Anschlüsse und Verbindungen sorgen muss. So kreuzen sich zum Beispiel beim Taktfahrplan in der Schweiz die Bahnen zu jeder halben oder vollen Stunde an einem Knoten. Hierdurch sind optimale Umsteigeverbindungen machbar. Für einen solchen integrierten Taktfahrplan in ganz Deutschland sind Investitionen in Milliardenhöhe mit einem Zeithorizont von bis zu 20 Jahren erforderlich.
Bis 2030 will man im Vergleich zu heute in den ICE und IC doppelt so viele Bahnkunden transportieren. Wie soll das funktionieren?
Eisenkopf: Das weiß ich leider auch nicht, und die verantwortlichen Manager der Bahn reagieren regelmäßig mit Stirnrunzeln, wenn man sie darauf anspricht. Eine Verdoppelung der Zahl der Bahnkunden in absehbarer Zeit ist eine rein politische Wunschvorstellung, die in den derzeit gültigen Koalitionsvertrag geschrieben wurde, ohne einen Gedanken an die Realisierbarkeit zu verschwenden: „fake news“ sozusagen. Das Ganze folgt einem politischen Zug, die Deutsche Bahn wieder verstärkt als Staatsbahn zu verstehen und als solche für politische Zwecke zu instrumentalisieren.
Gleichzeitig bekommt die Bahn nun auch Stress mit der Konkurrenz: FlixMobility will gegen die Bahn klagen, weil sie sich auf dem Portal bahn.de benachteiligt fühlen. Wie gefährlich ist die Konkurrenz für den Platzhirsch nach den ersten „Testmonaten“?
Eisenkopf: Es ist die übliche Reaktion der Deutschen Bahn, Wettbewerber erst einmal zu behindern, bevor man von den zuständigen Regulierungsbehörden zu einem wettbewerbskonformen Verhalten angehalten wird. Und auch dagegen wehrt man sich üblicherweise erst einmal auf dem Rechtsweg – meines Wissens nach gibt es keine Entscheidung der Bundesnetzagentur zu Lasten des Deutsche Bahn-Konzerns, die von der Bahn nicht juristisch angefochten wurde. Dabei hilft eine große und gut besetzte Rechts- und Regulierungsabteilung und die Tatsache, dass die Juristen der Bahn den einschlägigen Kommentar zum Eisenbahnregulierungsgesetz selbst geschrieben haben. Da muss jetzt auch FlixMobility durch, die durchaus einen guten Job machen, aber der Deutschen Bahn mit ihren Zügen momentan nicht ernsthaft gefährlich werden können.
Jetzt will sich die Bahn auch noch mit ihrem Glasfasernetz am Ausbau des schnellen Internets in Deutschland beteiligen. Ein neuer Geschäftszweig oder ein unnötiges Geschäft abseits der Kernkompetenz?
Eisenkopf: Diese Story erinnert ein wenig an die Geschichte der Bahn mit Schenker beziehungsweise Stinnes. Die Spedition Schenker gehörte seit 1931 (!) zur Bahn und wurde 1991 an die Stinnes AG verkauft. Im Jahre 2002 kaufte der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn für viel Geld Stinnes, um wieder an die Spedition Schenker zu kommen. Was kaum jemand weiß, ist, dass die Bahn schon immer im großen Stil Telekommunikationsnetze betrieben hat. So besaß die DBKom bereits im Jahre 1996, zum Zeitpunkt ihres Teilverkaufs an Mannesmann, ein bundesweites, modernes Glasfasernetz mit einer Länge von rund 40.000 Kilometern und 300.000 Anschlüssen, welches das zweitgrößte Telefonnetz Deutschlands nach dem der Telekom war. Auch hier kam es zu einem Rückkauf im Jahre 2002 in der Ära Mehdorn. Wenn die verfügbare Glasfaserinfrastruktur durch den eigenen Bedarf nicht ausgelastet ist und Dritten angeboten werden kann, kann dies helfen, dringend notwendige Einnahmen für die Eisenbahninfrastruktur zu generieren. Kurios sind nur in beiden Fällen die Strategieschwenks – und dass es angesichts dieser Infrastruktur so lange mit dem WLAN in den Fernzügen gedauert hat.
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm