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Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt.
Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.
Was zeichnet das Erfolgsmodell der Holding FlixMobility aus und welche Aussagen lassen sich daraus über die heutigen Bedürfnisse von Mobilitätskunden ableiten?
Prof. Dr. Alexander Eisenkopf: FlixMobility spricht mit Ihrem Angebot insbesondere die preissensitiven Kunden an. Aus unseren Untersuchungen zur Verkehrsmittelwahl im Personenfernverkehr wissen wir, dass der wichtigste Grund für die Wahl des Fernbusses der niedrige Preis ist. Längere Fahrzeiten und gewisse Komforteinbußen werden von Fernbuskunden dafür in Kauf genommen. FlixBus hat seinerzeit dank potenter und solventer Kapitalgeber eine aggressive Billigpreisstrategie durchhalten können, damit den Markt aufgerollt und wichtige Konkurrenten verdrängt beziehungsweise übernommen.
FlixBus-Gründer und Geschäftsführer André Schwämmlein sagt: „Wir sind davon überzeugt, dass wir immer mehr Menschen von umweltfreundlicheren Reisealternativen zum Auto überzeugen können.“ Wie nachhaltig wirtschaftet das „grüne“ Unternehmen wirklich?
Eisenkopf: Nachhaltigkeit ist ja ein schillernder Begriff, sozusagen ein „Wieselwort“ im Hayekschen Sinne. Wenn man die ökonomischen und sozialen Aspekte betrachtet, steht die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells außer Frage: Es wird ein günstiges Mobilitätsangebot für Menschen mit kleinem Geldbeutel geschaffen. Angesichts von anhaltender Fahrerknappheit gibt es auch keine Diskussion um unseriöse Praktiken der Subunternehmer. Aus ökologischer Sicht (Schadstoffemissionen, CO2-Emissionen) zeigen viele unabhängige Untersuchungen, dass der Fernbus unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht hinter der Bahn zurücksteht. Es bleibt der Streit um eine Fernbusmaut. Diese wäre aus systematischer Sicht wünschenswert, wenn in Zukunft alle Fahrzeuge bemautet werden. Tatsächlich decken aber die Busse im Gegensatz zur Bahn ihre Wegekosten über die gezahlte Mineralöl- und Kfz-Steuer.
Was denken Sie? Inwieweit kann ein Unternehmen wie FlixMobility ein Umdenken im Individualverkehr in Gang setzen?
Eisenkopf: Ich sehe hier kein wirkliches Umdenken. Generell beobachten wir zwar bei der jüngeren Generation ein flexibleres Verkehrsmittelwahlverhalten. Insbesondere in den Ballungszentren geht die Fixierung auf den privaten Pkw zurück, was sich in steigenden Anteilen des ÖPNV oder auch des Fahrrads an den geleisteten Wegen äußert. Dies ist jedoch kein genereller Trend in Deutschland: So ist in den vergangenen Jahren die Pkw-Flotte in Deutschland jedes Jahr um rund 500.000 Einheiten gestiegen – die Mobilität wird vielmehr von der älteren Generation der Baby-Boomer bestimmt.
Bislang sind sämtliche Versuche, der Deutschen Bahn im Schienenfernverkehr Paroli zu bieten, kläglich gescheitert: Woran liegt das?
Eisenkopf: Es gibt seit langem eine wissenschaftliche Diskussion darüber, ob (eigenwirtschaftlicher) Wettbewerb im Schienenpersonenfernverkehr überhaupt möglich ist. Unter den gegebenen institutionellen Rahmenbedingungen halte ich wirklichen intermodalen Wettbewerb für schwierig. Zum einen müsste dafür meiner Meinung nach eine echte institutionelle Trennung zwischen der Infrastruktur- und Transportebene erfolgen. Andererseits gibt es aber erhebliche Marktzugangshürden, zum Beispiel beim Zugang zu Rollmaterial. Insgesamt ist der Schienenpersonenfernverkehr in Deutschland allerdings auch kein besonders attraktives Geschäftsmodell.
Wie sieht es dagegen im Güter- und Nahverkehr aus?
Eisenkopf: Im Schienenpersonennahverkehr und im Güterverkehr hat sich der Wettbewerb in den vergangenen Jahren gut entwickelt. Dies zeigt sich im Ergebnis daran, dass neue Anbieter dem Incumbent Deutsche Bahn stetig Marktanteile weggenommen haben. Aktuell beträgt der Marktanteil der Wettbewerber beispielsweise im Schienengüterverkehr gut 40 Prozent – sie machen den Kunden offensichtlich bessere und preisgünstigere Angebote. Man muss allerdings wissen, dass im Nahverkehr der Wettbewerb als „Wettbewerb um den Markt“ ausgestaltet ist: Es erfolgen Ausschreibungen langlaufender Verkehrsverträge, die mit staatlichen Mitteln bezuschusst werden.
Kann sich der neue Mobilitätsanbieter tatsächlich zu einem langfristigen Wettbewerber im Schienenfernverkehr und damit zu einem ernsthaften Konkurrenten für die Deutsche Bahn entwickeln?
Eisenkopf: Ich bin eher skeptisch, ob FlixTrain neben den heute eher symbolischen Schienenverkehrsangeboten zu einem quantitativ wirklich relevanten Wettbewerber der Bahn wachsen kann. Dazu müsste man in größerem Stil in entsprechendes Rollmaterial investieren beziehungsweise entsprechende Partner gewinnen. Das faktische Monopol der Deutschen Bahn im Schienenpersonenfernverkehr brechen könnten nur große ausländische Bahngesellschaften, die sich aber wegen der vertraglichen Beziehungen zur Deutschen Bahn im internationalen Verkehr zurückhalten.
Wie sehen die Politik die neuesten Entwicklungen auf dem Mobilitätsmarkt?
Eisenkopf: Im Koalitionsvertrag steht sehr viel zur Bahn, leider nicht nur Gutes. Anzumerken ist insbesondere die teilweise Abkehr von privatwirtschaftlichem Denken und eine stärkere Ausrichtung an der Idee der Staatsbahn. Damit dürfte der Wettbewerb auf der Schiene eher einen schweren Stand haben. Trotz lautstarker Forderungen der Bahnlobby plant die Bundesregierung allerdings auch in der laufenden Legislaturperiode keine Fernbusmaut.
Titelbild:
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Bild im Text:
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm