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Marius Specht, geboren 1992 in Stuttgart, studiert „Communication, Culture & Management“ an der Friedrichshafener Zeppelin Universität. Nach seinem Abitur absolvierte Specht zunächst eine zweijährige Ausbildung zum Kaufmann für Marketingkommunikation bei der Schindler Parent GmbH, bevor er sich entschloss, am Bodensee eine Studienlaufbahn einzuschlagen. Neben dem Studium engagiert sich Specht im studentischen Club of International Politics e.V.
Was macht Politik eigentlich so unattraktiv? Politik gilt nicht wirklich als sexy. Das liegt nicht unbedingt an der mangelnden Attraktivität mancher Abgeordneter, sondern an den sich konsequent manifestierten Vorurteilen der Politik gegenüber. Sie sei langweilig, wirkungslos und man könne ja eh nichts machen. Diese Aussagen sind zwar generalisierend, treffen aber natürlich nicht auf eine gesamte Gesellschaft zu – dennoch ist die Tendenz in Deutschland deutlich. Das Interesse und die Mühe, sich mit der aktuellen Politik auseinanderzusetzen, lahmt. Doch wer versucht diese Vorurteile abzubauen? Wer sollte sich dieser Aufgabe annehmen?
Die Demokratie sieht die Herrschaft des Volkes vor und so muss es auch die Aufgabe der Bürger sein, diese Vorurteile abzubauen, denn es handelt sich dabei um unsere Politik, die Politik unseres Landkreises, unseres Bundeslandes und des Staates Deutschland. Das Schöne dabei ist: Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, sich politisch zu engagieren. Dazu muss man nicht einmal das Haus verlassen, man muss sich nur die Mühe machen, sich einem Diskurs anzuschließen. Politik ist so viel mehr als nur Tagesschau am Abend. An der Universität wissen das anscheinend viele. Der Wille für solch ein Engagement ist deutlich höher als außerhalb der Universität. Aber die Universität kann und wird niemals den Zustand einer ganzen Gesellschaft abbilden können, sie bleibt immer partiell elitär und das ist nicht tragisch! Tragisch ist es nur dann, wenn sämtlicher Wille und Bemühung sich politisch zu engagieren, hinter den eigenen Mauern verbleibt und man sich selbst wie in einer Autopoesis selbst reproduziert. Wenn sich das System auf Dauer nur noch selbst füttert und reproduziert und man über die Zustände von „da draußen“ ausschließlich diskutiert und Essays wie diesen schreibt, erst dann hat die Universität ihren tatsächlichen Sinn und ihre Verantwortung verloren.
Was bleibt dann? Wir tragen die Verantwortung, das erlernte Wissen nach außen zu tragen und gesellschaftlich verankerbar zu machen. Wer sagt der gelangweilten Jugend am Hauptbahnhof, was es heißt, zur Wahl zu gehen? Wer versucht, einem Rentner die Wichtigkeit der Wahlen in Frankreich für die EU und Deutschland zu erläutern? Wer traut sich, bewusst für eine Idee einzutreten, auch wenn er nichts bekommt, kein Geld, keine Anerkennung und vielleicht nicht einmal ein Dankeschön? Eines jedenfalls steht fest: Demokratie ist anstrengend, man redet sich die Zunge taub.
Der Homo Oeconomicus fragt sich nun: „Was springt für mich dabei heraus?“ Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar äußerst hoch, die eigenen Anstrengungen nie wirklich umgesetzt und real in der Gesellschaft wiederzufinden. Demokratie ist nicht wie das Bauen einer Maschine, sie ist nicht irgendwann fertiggestellt. Vielmehr sollte man die Bemühungen zum Schutze der Demokratie darin sehen, sich einzubringen, sich Diskursen zu stellen und gesellschaftliche Prozesse so mitzugestalten. Dann hat man auch das Recht sich zu beschweren. Aber die passive Sofahaltung mit Chipskrümeln auf dem Bauch einzunehmen und vom Fernsehsessel aus die politische Lage Europas und der Welt zu verfluchen, ist kleingeistig und dumm – vor allem aber ist sie wirkungslos.
Wer sich jedoch engagieren will, muss eines Bedenken: Man darf nicht erwarten, dass irgendwann jemand einem auf die Schulter klopft und sagt: „Mensch, echt toll gemacht!“ Hier ist eine altruistische Haltung erforderlich. Wer Politik verstehen und machen will, der darf nicht auf die Zuneigung und Zustimmung anderer hoffen. Man muss sie sich erarbeiten. Dennoch braucht die Demokratie Menschen, welche sich eine blutige Nase holen, welche disruptive Meinungen und Gedanken aufzeigen und sie diskutieren lassen. Die Demokratie ist erst wirklich dann geschwächt, wenn sie in einem Konsensbrei verkommt und sich alle in den Armen liegen, wenn sich die Opposition als kritische Instanz auflöst und ein großer Klumpen Einigkeit entsteht. Denn niemals, niemals kann jeder und alles in einer Gesellschaft prima und in Ordnung sein. Es gibt immer Baustellen innerhalb einer Gesellschaft und das ist auch normal so! Man sollte keine Zeit verlieren, an eine Utopie des Konsens und der ewigen Zufriedenheit zu glauben. Demokratie ist so viel mehr, so vielschichtig und dabei so komplex.
Doch wie kann man dieser trüben Aussicht entgegenwirken? Indem man es anpackt, hartnäckig bleibt und konsequent mit Freunden, Bekannten und Fremden über Politik und Gesellschaft spricht. Das Ziel muss dabei sein, diese Gespräche in konkrete Handlungen umzumünzen. Erst wenn gesagte Worte jemanden zu einer Handlung oder einem Nachdenken veranlassen, haben sie auch wirklich etwas bewirkt. Alles andere wären nur Worthülsen, schön formulierte Sätze, selbst wenn sie einem klaren und schlauen Geiste entspringen. Das Wissen über eine Thematik wird nur dann nützlich, wenn es den Weg aus der Theorie in die Praxis schafft. Es sollte uns allen ein Anliegen sein – gerade in diesem entscheidenden Wahljahr für Europa –, eine Stimme für eine geordnete und stabile Demokratie zu finden. Denn anstatt in Facebook seinen Unmut „wegzukommentieren“, die Tageszeitung anzubrüllen oder die „inkompetente“ Regierung zu verfluchen, sollte man eher an konkreten und realistischen Handlungen feilen.
Das Zitat aus John F. Kennedys Inaugurationsrede im Januar 1961 bringt es auf den Punkt: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“ Dieser Satz gilt heute mehr denn je.
Titelbild:
| DG EMPL / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)
Bilder im Text:
| Zeppelin Universität / Homepage
| Florian Gehm / Zeppelin Universität
Beitrag (redaktionell unverändert): Marius Specht
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm