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Postheroismus

Wollen wir noch Helden sein?

von Hannah Sophie Schiffner | Zeppelin Universität
26.10.2021
Die Analyse zeigt, dass die deutsche Gesellschaft eindeutig eine postheroische Gesellschaft ist. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass Heldentum immer noch vorhanden ist: Helden in einer postheroischen Gesellschaft zeigen existierende Konflikte und aktuelle Themata auf.

Hannah Sophie Schiffner
ZU-Alumna und Trägerin des Best Master Thesis Awards
 
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    Zur Person
    Hannah Sophie Schiffner Während ihres Studiums zum Bachelor in Communication, Culture & Management und zum Master in Pioneering in Arts, Media & the Creative Industries forschte Hannah Sophie Schiffner zu den Rollen, die die Medien in der Gestaltung und Darstellung gesellschaftlicher Werte spielen. Ihre Bachelorarbeit fokussierte sie auf traumatisierte Helden und stellte die Frage, wie Fernsehserien kulturelles Trauma verarbeiten können. Das Thema Helden vertiefte sie in ihrer Masterarbeit mit einer Analyse des Postheroismus und der Frage, ob die FSK Freigabebegründungen zu erkennen geben, dass Deutschland ein postheroisches Land ist.
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Postheroische Gesellschaften distanzieren sich von heroischen Erzählungen. Das Heldenkonzept passt schließlich nicht in das Image einer Demokratie. Gleichzeitig sind Filme, welche die glorreichen Abenteuer von Helden verfolgen, immer noch sehr beliebt. Genau hier ermöglicht eine Analyse der FSK Freigabebegründungen einen tieferen Einblick. Die FSK Freigaben spiegeln gesellschaftliche Werte wider und zeigen auf, mit welchen heroischen Aspekten Kinder konfrontiert und sozialisiert werden. Die Art und Weise der Sozialisation ihrer Kinder zeigt letztendlich, auf welche Werte die Gesellschaft Wert legt und von welchen sie sich distanzieren möchte.


Meine Masterarbeit mit dem Titel „Unhappy the Land That Is in Need of Heroes – Do the justifications behind FSK ratings indicate that Germany is a post-heroic society?“ widmet sich dem Trend des Postheroismus und erforscht, ob die FSK Freigabebegründungen darauf hinweisen, dass Deutschland eine postheroische Gesellschaft ist. Insgesamt wurden die FSK Freigabebegründungen zu 72 Filmen analysiert und im Ergebnis festgestellt, dass sie sowohl postheroische als auch heroische Haltungen aufweisen, was ein tieferes Verständnis über den Postheroismus in der deutschen Gesellschaft ermöglicht.

Eine der stärksten postheroischen Haltungen der FSK findet sich in der Evaluierung von Krieg und Gewalt. Die FSK Freigabebegründungen zeigen, dass die deutsche Gesellschaft sehr sensibel auf Kriegstote reagiert und sich von militärischen Aspekten distanziert. Entsprechend evaluiert die FSK die Effekte der gezeigten Gewalt, Schlachten und Todesopfer und beurteilt, ob diese zur Desensibilisierung der Kinder führt. Hervorzuheben ist, dass die FSK nicht nur die Opferbereitschaft der Helden und ihrer Mitstreiter, sondern auch die durch die Gewalt entstandenen Todesfälle auf der feindlichen Seite ablehnt. Die FSK folgt hier eindeutig dem postheroischen Trend der Casualty Shyness, in dem die Gesellschaft sich von Opferbereitschaft distanziert.


Die FSK beweist auch eine postheroische Haltung in Bezug auf die Struktur heroischer Erzählungen sowie der Charakteristika von Helden. Zum Beispiel stellt die FSK heroische Erzählungen in Frage, indem sie Filme befürwortet, welche die Kosten eines Sieges zeigen. Bei der Charakteristik der Helden weist die FSK daraufhin, dass Helden auch böse Züge haben können. In dem Wunsch der Entzauberung der Heldenfigur und des Heldentums zeigt sich hier der postheroische Trend. Die Infragestellung der Güte von Helden sowie das Aufzeigen der Konsequenzen heldenhafter Aktionen zeigt, dass in der deutschen Gesellschaft Helden nicht als Problemlöser angenommen werden, vielmehr werden sie und ihre Aktionen als problematisch eingestuft.

Superhelden für alle? Wer dieses Ziel erreichen will, der muss in Deutschland erstmal am Jugendschutz vorbei. Die FSK, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, ist die älteste Selbstkontrolleinrichtung. Sie prüft im Schwerpunkt die Altersfreigabe von Medien. Im öffentlichen Raum ist die Angabe der Altersfreigabe bindend. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 372.477 Minuten Filmmaterial geprüft. Das entspricht 7 Monaten Filme ohne Unterbrechung. Es gab 7.969 Freigaben. Die FSK hat 364 Kinofilme sowie 876 Home-Entertainment-Langfilme in Ausschüssen gekennzeichnet. Die häufigste Alterskennzeichnung erfolgte in der Altersklasse „freigegeben ab 12 Jahren“ mit 37,9 Prozent bei Kinofilmen und 37,6 Prozent bei Videofilmen. 2,5 Prozent aller Kinofilme und 12,1 Prozent aller Videofilme erhielten das Kennzeichen „Keine Jugendfreigabe“.
Superhelden für alle? Wer dieses Ziel erreichen will, der muss in Deutschland erstmal am Jugendschutz vorbei. Die FSK, die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, ist die älteste Selbstkontrolleinrichtung. Sie prüft im Schwerpunkt die Altersfreigabe von Medien. Im öffentlichen Raum ist die Angabe der Altersfreigabe bindend. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 372.477 Minuten Filmmaterial geprüft. Das entspricht 7 Monaten Filme ohne Unterbrechung. Es gab 7.969 Freigaben. Die FSK hat 364 Kinofilme sowie 876 Home-Entertainment-Langfilme in Ausschüssen gekennzeichnet. Die häufigste Alterskennzeichnung erfolgte in der Altersklasse „freigegeben ab 12 Jahren“ mit 37,9 Prozent bei Kinofilmen und 37,6 Prozent bei Videofilmen. 2,5 Prozent aller Kinofilme und 12,1 Prozent aller Videofilme erhielten das Kennzeichen „Keine Jugendfreigabe“.

Letztendlich kann noch eine weitere postheroische Haltung in der Reflektion über Helden als Vorbilder erkannt werden. Die FSK befürwortet die Neubesetzung des Heldenensembles und somit auch die Neubesetzung der gesellschaftlichen Vorbilder. Dies kann in der Betonung auf starke und unabhängige Heldinnen gesehen werden sowie in der Hervorhebung von Heldinnen, die beweisen, dass auch andere Stärken als nur Gewalt im Kampf gegen das Böse siegreich sind. Die FSK Freigabebegründungen zeigen hier eindeutig, dass die deutsche Gesellschaft sich von traditionell rein männlichen Helden als Vorbilder trennen möchte und dadurch auch die traditionelle Verknüpfung von Helden und Krieg brechen möchte.


Gleichzeitig können aber auch heroische Haltungen in den FSK Freigabebegründungen erkannt werden. Zum Beispiel akzeptiert die FSK, dass Helden gesellschaftliche Normen überschreiten und gleichzeitig als Vorbilder für gesellschaftliche Werte taugen. Jedoch muss hier bemerkt werden, dass die FSK diese Filme bewusst abwägt und genau reflektiert, welche Formen des Heldentums akzeptabel sind. Dabei achtet die FSK darauf, dass die Macht der Helden nur dann ausgespielt wird, wenn es notwendig ist, und akzeptiert dabei kein unbeschränktes Überschreiten gesellschaftlicher Werte. Die FSK akzeptiert Heldenerzählungen auch, weil ihre starke heroische Charakterisierung sie eindeutig erkennbar und fiktional macht, was den Zuschauern erlaubt, sich von den Geschehnissen zu distanzieren. Die FSK Freigaben verdeutlichen daher, wie heroische und postheroische Aspekte in der deutschen Gesellschaft zusammentreffen. Die FSK beweist mit ihren Freigabebegründungen einerseits eine klare postheroische Haltung, zeigt andererseits aber auch, dass Postheroismus heldenhafte Erzählungen nicht ausschließt, was wiederum eine bewusste Entscheidung darüber darstellt, welche Formen des Heldentums akzeptabel sind und welche Rolle Helden in unserer Gesellschaft spielen dürfen.


Die Analyse zeigt, dass die deutsche Gesellschaft eindeutig eine postheroische Gesellschaft ist. Kinder werden in eine Gesellschaft hineinsozialisiert, in der Heldentum nicht erwünscht ist oder erwartet wird. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass Heldentum immer noch vorhanden ist. Helden in einer Gesellschaft, insbesondere in einer postheroischen Gesellschaft, zeigen existierende Konflikte und aktuelle Themata auf. Es ist daher wichtig zu verstehen, welche Rolle Helden in einer Gesellschaft spielen und wie die Gesellschaft mit diesen umgeht.

Titelbild: 

| TK Hammonds / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

| Esteban Lopez / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Hannah Sophie Schiffner

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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