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Der WÜRTH Chair of Cultural Production wurde 2015 als Stiftungslehrstuhl und mit Hilfe der Stiftung WÜRTH und des Stifterverbands der Deutschen Wissenschaft eingerichtet. Martin Tröndle hat den Lehrstuhl seitdem inne. Der Lehrstuhl beschäftigt sich in Forschung und Lehre mit Kulturorganisationen und ihren Besuchern und Nicht-Besuchern, den Kulturpolitiken und der Kulturfinanzierung, sowie der Wirkung bestimmter Aufführungs- und Ausstellungsformate. Die enge Verzahnung von Forschung, Lehre und Praxistransfer ist in dieser Arbeit zentral. Martin Tröndle führt dazu nationale und internationale Forschungsprojekte mit unterschiedlichen Teams und Praxispartnern durch. Martin Tröndle war Principal Investigator von „eMotion – mapping museum experience,“ gefördert durch den Schweizerischen Nationalfonds und andere. Er ist Principal Investigator von „ECR – Experimental Concert Research,“ gefördert durch die VolkswagenSiftung und andere sowie Principal Investigator von „DCE – Digital Concert Experience.“ Er ist Sprecher des Forschungsclusters „Arts Production and Cultural Policy in Transformation,“ gefördert durch die Zeppelin Universität. Er ist ein Beneficiary von „FEINART – The Future of European Independent Art Spaces in a Period of Socially Engaged Art,“ gefördert durch das Marie Skłodowska-Curie Programm im Rahmen von Horizon 2020. Seit 2014 ist Martin Tröndle Editor-in-Chief (gemeinsam mit Steffen Höhne und Constance DeVereaux) der begutachteten Zeitschrift für Kulturmanagement und Kulturpolitik (Journal of Cultural Management and Cultural Policy).
Das klassische Konzert ist in der Krise – so suggerieren es zumindest seit geraumer Zeit die Besucherforschung und die Feuilletons. Als Beleg dafür wird v.a. das steigende Durchschnittsalter des Publikums angeführt und das Wegbleiben jüngerer Hörerschichten. Öffentlich finanzierte Konzerthäuser und Orchester stehen dadurch unter großem Druck. Das gemeinschaftliche Anhören einer Aufführung von Kunstmusik scheint immer weniger attraktiv zu sein. Konzertveranstalter reagieren auf dieses Krisenszenario seit einer ganzen Weile mit verschiedenen Maßnahmen: Projekte zur Musikvermittlung setzen beim Publikum an, neue Konzertformate suchen das Konzert selbst zu reformieren.
Seit vier Jahren arbeitet eine europäische Forschungsgruppe an der Entwicklung experimenteller psychologischer und soziologischer Messinstrumente, die nun umfänglich zur Anwendung kommen. Nach einer „Sneak Preview“ im September 2020 und Auftaktkonzerten im Pierre Boulez Saal findet im Radialsystem vom 28. April bis 6. Mai eine neuntägige Konzertreihe statt, die von der Aventis Foundation gefördert wird. Die Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher bekommen einen Einblick in das außergewöhnliche Forschungsprojekt und können sich als Testpersonen mit ihrem Erleben im Konzert auseinandersetzen. Unter Anwendung einer speziell konzipierten Methodenkombination werden sie verkabelt und befragt – und so aktiv und passiv in die Untersuchung ihres Konzerterlebens mit einbezogen.
Das international renommierte Kammermusikensemble Epitaph – Violinistinnen Baiba Skride und Gergana Gergova, Bratschisten Micha Afkham und Amihai Grosz sowie Cellist Alban Gerhardt – und die hochkarätigen Newcomer Yubal Ensemble spielen an insgesamt neun Frühlingsabenden im Radialsystem Streichquintette von Ludwig van Beethoven, Brett Dean und Johannes Brahms. Das musikalische Programm bleibt an allen Abenden unverändert. Von einem Konzert zum nächsten werden dieselben Kompositionen aber auf immer andere Weise präsentiert und dramaturgisch verändert – beispielsweise durch eine Moderation, Lichtdesign, das Mitwirken der Zuhörenden oder eine weitere visuelle Ebene.
Das klassische Konzert ist seit zwei Jahrhunderten ein hochentwickeltes Format von Performance und Rezeption. Welche Parameter dieses ritualisierten Ablaufes aber sind zentral für das Konzerterleben und das emotionale Eintauchen, welche sind irrelevant und welche vielleicht sogar hinderlich? „Experimental Concert Research“ erforscht, welche Erlebenspotenziale das Konzert als eine spezifische Darbietungs- und Rezeptionsform für bestimmte Musik erschließt. Die Leitfrage des Forschungsprojektes lautet: Was macht das Konzerterlebnis in einem Konzert mit klassischer Musik heute aus?
Mit Hilfe eines multimethodischen Forschungsdesigns wird diese Frage im Setting realer Konzerte untersucht. Durch die Kombination von computergestützten Vor- und Nachbefragungen sowie der Integration physiologischer Messungen und Videoaufnahmen zur Analyse von Bewegungsdaten kann das interdisziplinäre Forschungsteam den Fragen nach dem Konzerterleben auf bisher einzigartige Weise analysieren.
Führen unterschiedliche Konzertsettings und Interventionen zu einer veränderten emotionalen Wahrnehmung der Musik? Die Versuchsanordnung geht zunächst von einem „klassischen“ Konzert eines herausragenden Streichquintetts mit gemischtem Programm in der üblichen Reihenfolge aus: Klassik, Zeitgenössisches, Romantik.
Von Konzert zu Konzert werden dann einzelne Parameter verändert, obwohl die musikalische Besetzung und die Werkauswahl gleichbleiben: Eine Moderatorin interviewt die Mitwirkenden; ein auf die unterschiedlichen Stücke abgestimmtes Lichtdesign kommt dazu; Neue Musik und Romantik werden ineinander verschränkt; das Publikum wird zur Partizipation eingeladen; der Abend bekommt unter einer Überschrift einen thematischen Bogen; eine visuelle Ebene öffnet Assoziationsräume; das Ensemble wird durch eine hochwertige Surroundanlage leicht verstärkt.
Titelbild:
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm